Die Karfreitagtänzerin
Auf einem einsamen Hofe im Naviser Tale diente eine Bauerndirn, deren
ganzes Wesen voller Übermut und Frechheit war. Vom Körper war
sie schön, aber nicht schön von der Seele: Mit Brot und Käse
ging sie um wie mit Erdklößen, sie warf ganze Laibe Brot in
den Spüleimer, Butter in das Feuer, daß es stärker lodere,
und die Käse stieß sie, wenn sie ihr zu schwer zu tragen waren,
mit den Füßen vor sich her. Tanz war ihr liebstes, der ging
ihr über alles, Alltag, Sonntag und Festtag, auch fehlte es ihr nicht
an Genossenschaft zu diesem Vergnügen, Brüder und Knechte hielten
zu ihr. Selbst an einem Karfreitag führte diese Sippschaft einen
tollen Tanz auf; denn dieses Volk war so roh, daß es an nichts mehr
dachte, auch an nichts mehr glaubte, an heiligen Zeiten weder beichten
noch speisen ging und noch weniger an Fasttagen fastete. Mitten aber im
Wirbel jenes Karfreitagtanzes erschütterte ein furchtbarer Donnerschlag
die Hütte, und die Dirn fiel tot zu Boden. Die Teilnehmer enteilten
bestürzt zum nächsten Orte des Bezirkes und zeigten den Fall
an. Es lag noch Schnee, und es kamen die Totengräber, holten die
Leiche aus der Hütte und führten sie auf einem Schlitten zu
Tale, aber auf halbem Wege spürten sie plötzlich einen starken
Ruck, und wie sie umschauten, sahen sie, wie der Teufel die Dirn bei den
Haaren hielt und mit ihr durch die Lüfte davonfuhr.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 306.