Der Karfunkelstein des Nörggleins
Oberhalb Leifers an der Poststraße nach Italien, am linken Etschufer, führt ein Bergweg ins Brantental, aus dem der Brantenbach sein wildes Wasser ergießt. Gleich beim Eingang in dieses Tal am rechten Ufer des Baches erblickt man noch die zahlreichen Trümmer der ehemaligen Burg Lichtenstein.
Bevor diese Burg so hieß, ritt einst einer ihrer Besitzer, Peter mit Namen, diesen Weg entlang, als ihm ein winziges Männlein den Pfad vertrat und flehentlich eine Gabe heischte. Mit rauhen Worten wollte der Diener das Männlein von dannen scheuchen, aber der Gebieter, menschenfreundlicher gesinnt als der Diener, wie nicht selten der Fall ist, gebot jenem zu schweigen und vielmehr dem Männlein eine Gabe zu reichen, sei es Geld oder Brot und Wein. Da zog das Männlein aus seiner schmutzigen Tasche seines armseligen Gewandes einen herrlich strahlenden Karfunkel, reichte diesen dem Ritter und sprach: "Habe Dank und nimm diesen lichten Stein, Segen soll er bringen dir und all deinem Geschlechte." Und plötzlich war das Männlein, als wie in den Erdboden hinein versunken, verschwunden. Das Männlein war ein Nörggl gewesen. Der Ritter bewahrte sorgsam den Karfunkel, ließ ihn in Gold fassen und setzte ihn mitten in sein Wappenschild. Herrlich blühte sein Geschlecht empor, gewann reiche Besitzungen zwischen Vorarlberg, Graubünden und St. Gallen, die Herren von Lichtenstein wurden zu Reichsgrafen und endlich in den deutschen Reichsfürstenstand erhoben, und noch bis heute führt das hohe Geschlecht als Herzschild in seinem quadrierten Fürstenwappen von Gold über Rot quergeteilt das Andenken an den lichten Karfunkelstein des dankbaren Nörggleins.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 384.