Kartenspieler in der Kirche
In Hall ist die Teufelssage sehr in Gang und Schwung, mehr als anderwärts. Allda waren vor sehr vielen Jahren zwei Spieler, die beherzt waren bei Herz-Trumpf, florierten bei Grün oder Laub, närrisch taten bei Schelle und säuisch waren bei Eichel-Sau: kurz und gut, die lauter Blätter trugen, d. i. Kartenblätter und keine Früchte wie Abraham a Sancta Clara zu sagen liebte.
Schneckenstiege, linker Emporenaufgang
der Pfarrkirche in Hall
© Berit
Mrugalska, Februar 2004
Um auch während des kurzen Gottesdienstes keine Zeit zu verlieren,
nahmen sie ihren Bet-, will sagen Spielplatz auf der Stiege ein, die links
zur Emporkirche hinaufführt. Sie konnten da ohne Störung karten,
weil der gewöhnliche Auf- und Abstieg der Emporkirche auf der rechten
Seite angebracht war. Einmal spielten sie wieder, das Glück war heute
offenbar nur auf der Seite des einen und auf der andern Seite beständig
der Verlust. Der Satz wurde immer verdoppelt und der Verlust größer
und endlich so groß, daß der Verspielende mit bebender Hand
und stierem Auge sein letztes Geldstück, Uhr, Kette und alles, was
er hatte, zum Satz hingab, und auch dieser ging verloren! In wilder Raserei
fing er an zu schimpfen und zu fluchen, ja so gotteslästerlich zu
fluchen, daß man es durch die dicke Mauer hindurch hörte, welche
die Schneckenstiege von dem Schiffe der Kirche abschließt, worüber
den Andächtigen in der Kirche die Haare vor Entsetzen zu Berge standen.
Auf einmal kam von unten herauf über die Stiege ein gewisser Schwefeldampf
als Vorbote und hintendrein der Teufel selbst, halb Bock, halb Mensch,
der drehte dem Lästerer den Hals um und fuhr mit ihm, während
ein fürchterlicher Sturmwindstoß die hohen Kirchenfenster erzittern
und klirren machte, durch die kleine Lichtöffnung hinaus, welche
die Schneckenstiege spärlich beleuchtete. Und als die Leute nach
dem Gottesdienste die Stiege untersuchten, fanden sie den einen Spieler
wie tot auf der Erde liegen, Schreck und Graus hatten ihn ohnmächtig
niedergeworfen, und als er wieder zu sich kam, bekannte er reumütig
und zerknirscht den verübten Frevel, warf auch gleich alles gewonnene
Geld in den Opferstock. Am kleinen Fensterlein, das ganz schmal war, erblickte
man die Blutspur von dem Hinausgewürgten, und noch immer zeigt sich
an demselben ein roter Streifen wie im Schlosse zu Wartenberg im Niederland
und am Klosterfenster zu Maulbronn in Schwaben, allwo der Teufel den Doktor
Faust hindurchzerrte.