DER NAME DES KLOBENSTEIN
Gern knüpft die Sage örtliche Namen an wunderbare Ereignisse und prägt sie durch solche am tiefsten der Erinnerung der Bevölkerung ein.
Von der Wallfahrtskapelle "Beim Klobenstein" geht die Sage, sie habe früher auf der andern Seite des Baches gestanden, sei aber von Engeln an die Stelle hinübergetragen worden, wo sie jetzt steht. Dort sperrte ursprünglich ein mächtiger Felsblock den Pfad, und die frommen Wallfahrer, die aus Bayern über die Grenze herüberkamen, um in der Wallfahrt zu beten, mußten einen langen und beschwerlichen Umweg machen, um zu dem Gnadenorte zu gelangen. Da kam auch einst ein altes Mütterlein, das war weit von ferne hergewallt und konnte vor Müdigkeit kaum weiter und erseufzte, als es den Felsenblock sah, und gedachte, daß noch ein großer Umweg zu der gleichwohl so nahen Kapelle zu überschreiten sei.
"Ach du Hochgebenedeite!" rief das Mütterlein, "wäre ich doch schon bei dir in deiner Kapelle, meine armen Füße tragen mich ja nicht mehr!"
Siehe, da schwebte mit einem Male die hochheilige Mutter aller Gnaden über den Felsblock, im himmelblauen Gewande mit silbernem Schleier und strahlend in überirdischer Schönheit. Und wie des Schleiers Saum den Fels berührte, teilte er sich zu beiden Seiten auseinander - der Felsen hatte sich "gekloben" nach tirolischem Sprachgebrauch, wo man klieben und gekloben statt spalten und gespalten sagt -, und das alte Mütterlein konnte nun durch den Riß des Felsens schreiten und alsbald zur Kapelle gelangen. Sobald sie das Wunder kundgetan, nannte das Volk die Wallfahrtskapelle selbst "Beim Klobenstein", wegen der geklobenen und offen gebliebenen Felsspalte.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben
von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 18