Der Kuhtrainputz im Ötztal
Sölden nach Zwinselstein [Zwieselstein] führt ein fürchterlicher Pfad
über die Felsenwände - ein mit Holzbalken hineingeschlagener
Weg, welcher Kuhtrain heißt. Einst betete eine Mutter vor dem Marterl,
welches ob dem schwarzen Abgrund aufgerichtet ist; ihr Kind war etwas
von ihr entfernt. Ein trunkener Bösewicht stürzt es in den Abgrund,
die Mutter will es haschen und fällt auch hinunter in die tosende
Ötztaler Ache. Beide sind tot - der Bösewicht geht unbekümmert
weiter, Sölden zu. Nach langer Zeit führt den nämlichen
Mann der Weg dort vorbei; er blickt hinab und sieht Mutter und Kind drunten
als Geister stehen (andere sagen, die Mutter allein mit hohlem, todbringendem
Blick). Da erfaßt ihn Wahnsinn, und er stürzt auch hinab. Seitdem
meidet man diesen Schreckenspfad, denn der böse Geist stößt
harmlose Reisende gerne hinab - allein die Mutter und ihr Kind warnen
gewöhnlich die Wanderer.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben
von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 174.