Das Lorggenthal.

Eng und finster liegt der Ort der Gemeinde Staaben im Vintschgau, von Tschars ¼ Stunde abwärts, von der Poststraße durchschnitten, und am südlichen Theile von der Etsch bespült, am nördlichen von drohenden Felsen überhangen, die morsch und locker oft in Massen abrollen und niederschießen. Gerade gegenüber dem Domberg unter dem Hofe "Platz" liegt ein Tahl, das Lorggenthal genannt. Es ist dasselbe klein, voller Löcher und Höhlungen, und sollen hier früherhin sich die Lorggen in Menge aufgehalten haben. In dieser Gegend oberhalb Naturns befindet sich am Sonnenberge auch das Lorggenloch, das zwei Klafter tief in den Stein geht, und ebenso verrufen ist, wie die Nörrgglhöhle, dasselbe, in welchem die Todtenkopfspinne haust, und d's Wildg'fahr einzieht. (Vergl. "Die Wildg'fahrhöhle am Sonnenberge")

In diesem Bereiche des Vintschgaus ist die Lorggensage noch ungemein im Munde des Volkes lebendig und umgehend. So auch im Dorfe Allgund, ½ Stunde über Meran am linken Berggelände des Thalstromes. Dem Matschthale entragt noch eine Berghöhe, welche die Norgglspitze heißt. Ab und auf an der lebendigen Etsch wohnt dieß Wichtlngeschlecht, und zwar findet es sich schon bei ihrem Ursprung und folgt ihr bis zur wälschen Grenze.

Quelle: Mythen und Sagen Tirols. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Zürich 1857, Nr. 32, S. 119.