Das Muttergottesbild im Wasser
Über einer Sumpfstelle der Etsch im Vintschgau nahe der Tschengelsburg sahen Hirten häufig des Nachts ein meteorisches Leuchten. Sie hielten dasselbe zuerst für Irrlichtschimmer und mieden furchtsam jene Stelle, aber immer heller wurde allmählich der magische Schimmer. Da wagten sich endlich ihrer mehrere näher heran, und siehe, im Sumpfe, der ganz wie vom Glänze von tausend und abertausend Glühwürmern erhellt war, lag ein wunderschönes Muttergottesbild. Rohe Bildstürmer, die vom Tauferer Tal und aus der Schweiz heraus in das Land eingebrochen waren, hatten das Bild aus einem Kloster geraubt und es hier in den Sumpf geworfen. Andächtig erhoben die Hirten das Bild und brachten es in die Schloßkapelle auf Tschengelsburg, wo es noch jetzt Gegenstand frommer Verehrung ist. Aber jener Glanz erlosch alsbald, wie das Bild dem trüben Wasser entnommen wurde.
Diese Sage erinnert lebhaft an die von einer geraubten und in eine Lache geworfenen geweihten Hostie zu Erfurt und an das Christkindlein in Hall.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 253.