DER NACHTSCHWÄRMER BEI THIERBERG
Ein loser Nachtschwärmer ging einmal gegen das Schloß Thierberg bei Kufstein hinauf, wollte fensterln gehen oder hatte vielleicht Schlimmeres im Sinne. Wie er nun über das Feld aufwärts nach ein Walde, zu gelangte und über das "Stiegele" (Zaun zu beiden Seiten, ein Stein oder Brett, um leichter hinübersteigen zu können) steigen wollte, vertrat ihm eine feurige Gestalt den Weg und winkte ihn zurück. Der beherzte Bursche fürchtete sich aber vor keinem Feuermann, ja nicht einmal vor dem Teufel selbst, fluchte und schlug nach der Erscheinung - und da war es um ihn geschehen. Die Feuererscheinung war just so ein Nachtschwärmer gewesen wie jener, war verdammt, an dieser Stelle zu geistern und zu glühen, und fand nun ihre Erlösung, jener aber mußte alsbald an ihrer Stelle glühen und büßen, bis auch ihm - wer weiß wann, Erlösung wird. Seitdem ist von der Burg Thierberg vieles in Trümmer zerfallen, aber das Stiegele ist noch immer ein verrufener Ort, und wer nicht muß, meidet es des Nachts zu übersteigen.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben
von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 25