Pitzl mit altem Kopf
Am Volderer Berg, Wattenberg, Weerer Berg, durch die Täler hinein, leben Sagen von kleinen, neckischen Hausgeistern, welche in Zwerggestalt ihre Possen treiben, "Pitzl" genannt werden und nichts anderes als die oberinntalischen Wichtel sind.
Der höchste Bauernhof auf dem Volderer Berg, "Beim Walder" genannt, beherbergte bis vor 50 Jahren ein Pitzl, das akkurat wie ein kleines sechsjähriges Kind aussah, aber einen alten Kopf hatte und selten von alten Leuten, häufig von Kindern gesehen wurde, mit denen es sich am liebsten unterhielt und ihnen allerlei Spielsachen brachte.
Ältere jedoch neckte es, wo es konnte. Besonders gern stellte es große Milchschüsseln, mit Juten * (Molken) angefüllt, zu Haus und Stalltüren, so daß die Knechte mitten dreinpatschten, und wenn sie dann sich dersauten (beschmutzten) oder stolperten, ein langes, kicherndes Gelächter aufschlug. Auch verzog ** es gern das Mus, welches die Bäuerin zum Abkühlen an die Luft stellte; jene Heubüschel, welche der Fütterer zu Nacht richtete, um sie morgens den Kühen zu verteilen, löste es wieder auf und trug alles zerzupft auf einen Haufen zusammen; überlegte vom nahen Holzstoß die Tür mit so viel Scheiten, daß die Leute zum Fenster hinausschliefen mußten, kurz, was nur Gabiches vorkam, hatte das Pitzl getan.
Einmal lief das Kind vom Walderbauer in die Stube hinein und schrie: "Mutter, draußen ist a Kindl mit dem Mus davong'rennt", und wirklich war das Mus verzogen. Das Pitzl hatte es getan.
* Juten: Käsewasser, wird zur Schweinefütterung verwendet
** verzog: verschleppte
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 102