Die saligen Leute
Im Pustertal ist ein Nachhall der Saligensage, aber sie ist meist getrübt, hat nicht das Reine, Ätherische wie im Vintschgau und ändern Orten, und die daselbst sogenannten "saligen Leute" fallen mehr mit den Moos- und Holzweibchen der Vogtlandsage zusammen.
Sie waren hilfreich, schnitten über Nacht große Strecken Korns, mähten die Wiesen, und die Arbeit ging ihnen wunderbar vonstatten, doch nur dann, wenn die saugen Leute dieselbe unter sich allein verrichteten. Waren gewöhnliche Menschenkinder dabei, so arbeiteten jene auch nicht schneller als diese.
Einst heiratete ein Bauer eine solche Salige, die bei ihm aber gleich beim Eingehen der Verbindung sagte, er dürfe sie niemals auskriegen (schimpfen), was der Mann auch versprach und eine ziemliche Zeitlang hielt, ja sogar einige Jahre. Das glückliche Ehepaar hatte bereits Kinder, als es einmal einen häuslichen Zwist gab, der Mann vergaß sich, schalt heftig und zankte. Von Stund an ging die Salige vom Hofe fort und kam nie wieder. Aber seine Kinder gingen an jedem Sonntagmorgen schön gekämmt, in reinen Hemden und aufgeputzt, sagten aber niemals, wohin sie gegangen waren, und wenn Leute ihnen nachgingen, so schwanden sie diesen aus den Augen. Niemand wußte, wie.
Man nimmt an, daß die saugen Leute unter der Erde ihre Wohnungen haben. Ein Eingang zu einer solchen wird im Mooser Oberfeld gezeigt und heißt das Saligerloch. Am längsten haben die saligen Leute in den sogenannten Wahlen verweilt und gearbeitet (Alpenwiesen im Debanttal, dessen östliche Gebirgslinie die Grenze zwischen Tirol und Kärnten bildet und ins Mölltal leitet), bis auch von dort sie die Bosheit der Menschen vertrieb. Eine Salige hatte sich in einer Heuschupfe harmlos zur Ruhe gelegt, nahe dem Eingang. Da schlich ein tückischer Knecht herbei und schnitt ihr einen ihrer sehr schönen Zöpfe ab, worauf jene Salige mit ihrem ganzen Anhang weinend und wehklagend von dannen zog. Nur etwas tiefer im Tale bei der Trollewitschalm hat man später zuzeiten noch einige erblickt, welche im Bache Wäsche wuschen, aber schnell enteilten, sobald ein Mensch sich nahte. Übrigens geht die Sage, daß hinter der Trollewitschwand ein Schatz verborgen ruhe, der den Wert dreier Königreiche aufwiege.
Diesen Schatz haben die saligen Leute zusammengetragen.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 331.