Doktor Seraphikus

Es ist eigen, daß fast alle Wunderdinge, welche im Alpbachtale und dessen Umgegend vom Doktor Theophrastus (freilich auch unter arg verstümmelten Namen) und seinem Haselwurm, seinen Wunderkuren und seinem Tode erzählt werden und auch in Hall, Innsbruck und Umgegend bekannt sind, in den letzteren Orten einem Doktor Seraphikus zugeschrieben werden, welcher in Innsbruck gelebt haben soll. Es ist aber dieser Seraphikus mit Theophrastus eine und dieselbe Person, und es können und sollen daher solche Sagen, die bereits ausführlich über ihn mitgeteilt wurden, hier nicht wiederholt werden. Die Namensverwechslung hat einen leicht erklärlichen Grund. Den etwas schweren Namen Theophrastus behielt das Volk nicht leicht und vernahm ihn wohl auch ziemlich selten, weit öfter dagegen den Beinamen des hl. Franz von Assisi, den Stifter des Franziskanerordens, der von einer Verzückung in welcher er einen Seraph gekreuzigt erblickte, den Namen Seraphikus empfing, und so verwechselte das Volk nicht die Personen, aber die Namen des ungleich älteren und gefeierten Heiligen mit dem weit späteren, profanen Wunderarzte Theophrastus Paracelsus von Hohenheim.

Heilige Franz von Assisi, Patron der Tiere
Glasfenster im Kapuzinerkloster Innsbruck
©
Berit Mrugalska, März 2004
Künstlerin Maria Rehm

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 127