Der Stier zu St. Valentin
Auf der Stelle des durch ein Gottesgericht zerstörten Kastelruth hatten sich längst hohe Schutthügel gebildet. Auf einem dieser Hügel begann einst ein Stier zu wühlen und wühlte unaufhörlich einen ganzen Tag lang. Als man in der Vertiefung, die durch das Wühlen des Stiers entstanden war, näher nachsah, ward das Öhr einer großen Glocke entdeckt. Man erhob diese und hing sie in der Kirche zu St. Valentin auf. Noch immer führt die Glocke den Namen: "Der Stier zu St. Valentin", wenn sie diesen auch nur aus dem Munde des Volkes und nicht aus dem des Priesters bei ihrer Taufe empfing. Sie wird von den Hexen sehr gehaßt und gefürchtet, denn ihr Schall vertreibt die bösen Wetter, welche das Hexengeschmeiß so gern erregt.
Zu Latzfons, höher hinauf und rechts im Tale der Eisack, ist folgende Glockensage allgemein: Als man vor alten Zeiten die schöne und große Glocke von St. Pauls nach Kastelruth führen wollte und dieselbe trotz angespannter 40 Ochsenpaare nicht von der Stelle bringen konnte, fing sie plötzlich zu reden an und sprach:
Maria Anna hoaß i,
Alle Wetter woaß i,
Alle Wetter vertreib'i
Und zu St. Pauls bleib'i.
Und da ist sie auch alldort verblieben!
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 378.