Die Tänzer zu Latsch
Im Wirtshause zu Latsch im Vintschgau ging es hoch her, da war Tanz und Gelage, ein Dutzend Burschen und ebenso viele Dirnen tanzten wie toll oder jubelten um die Zechtische. Da läutete unten auf der Straße ein Chorknabe das Ministrantenglöcklein, ein Zeichen, daß der geistliche Herr das hochwürdigste Gut vorbeitrug zu einem Kranken. Alsbald verstummte die Musik, die Tänzer hielten inne mitten im Tanze, wie es Sitte und sich ziemt; viele traten zum Fenster oder vor die Türe, entblößten Hauptes, den Segen entgegenzunehmen, und nur ein tanzendes Paar war so tanzwütig, daß es gar nicht hörte noch sah, ob die Musik tönte oder schwieg, ob die ändern tanzten oder nicht, es hüpfte und walzte auch fort ohne Musik. Aber mit einem Male begannen die Tänzer zu taumeln, fielen nieder und waren tot, ihr Gesicht überzog Leichenblässe, dann wurden sie gelb, dann braun, dann kohlenschwarz wie Mohren - da war's zu Ende mit Tanz und Schmaus. Den in toller Sünde Dahingefahrenen und vom strafenden Himmel Gezeichneten konnte kein christliches Grab vergönnt werden, man schaffte sie in eine Waldhöhle, legte sie hinein und vermauerte die Öffnung.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 250.