Der Teufel wetzt Sensen
Es war vor Jahren ein Bauer bei Trens, dessen Hof links im Tale droben
steht und den sich mancher Christenmensch angeschaut hat als besondere
Rarität. Dieser Bauer verstand "das Sensen wetzen
machen", welches eine gar besondere Kunst ist. Wenn die Heilige Nacht
kam, so legte er alle seine Sensen und Sicheln und Wetzsteine, auch die
der Nachbarn, aufs Dach, setzte sich eine Teufelsmaske mit furchtbaren
Hörnern auf den Kopf, sich selbst aber auf den First des Hauses,
und nahm eine Sense in die Hand. Das war um 11 Uhr. Und wie er oben saß,
so kam sogleich der rechte Teufel daher, dem gab der Bauer mäuschenstill
die Sense, stand auf und eilte ohne Umsehen sogleich vom Dache, machte
geschwind ein Kreuzzeichen und ging in die Kirche zur heiligen Mette.
Der arme Teufel droben aber wetzte wie wahnsinnig, und galig (jählings)
machte er eine Breankn (Gesicht) als wenn er "an Enzianwurz vaschluckt
hatt'", und wetzte drauflos, daß die Klumen (Funken) links
und rechts übers Dach achi (hinunter) flogen. Und alle wetzte er,
und als er fertig war, flog er wie ein fuiriger Drach' übers Tal
gegen das Hexenjoch, wo er vermutlich seinen Zorn über das Bäuerl
ausgelassen hat. Als dieses Bäuerlein tot war, hat es ein anderer
Trenser probiert, der hat aber vor Schreck die Seges (Sense) fallen lassen,
statt sie recht couragiert dem Teufelsschwanz in seine Krallenpratzen
zu geben, und den hat der Teufel durchputzt - "hat'n beim Gnack [Genick]
durch d' Luft tragn".
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 311.