Die Jungfrau der Thaurer Höhle

Unter der Burgruine Thauer, die über dem gleichnamigen Dorfe unweit Hall aufragt, befinden sich im Kalkstein der Felsenwände verschiedene Höhlen und Klüfte, in deren größte der Sage nach eine verwunschene Prinzessin gebannt ist. Wer sie erlösen und dadurch den reichsten Schatz sich gewinnen will, darf nur kommen und sie aus dem Berge herausführen - gleichwohl soll sie noch bis heute unerlöst sein, weil dessen, der das Wagnis bestehen will, gar große Schrecknisse harren.

Marienhöhle © Wolfgang Morscher
Hier eine andere Höhle in Thaur, unweit dem Thaurer Schloß und ebenfalls einer Jungfrau gewidmet,
der Jungfrau Maria mit Jesuskind
© Wolfgang Morscher, 17. Juli 2005

Greuliche Würmer umkriechen ihm die Füße, eine geflügelte Schlange zischt ihm überm Haupte und speit aus weitgeöffnetem Rachen Feuer aus. Ein feuriger Hund mit einem Löwenkopfe brüllt dem Eindringling entgegen, und wer dennoch unerschrocken weiterdringt, der kommt an eine verschlossene Türe, an welcher das Bildnis des leibhaftigen Teufels mit einer sinnenverwirrenden Schrecklichkeit gemalt ist und ihn angrinst. Da wagt keiner die Türe zu öffnen, obschon dahinter die Jungfrau bitterlich weinend und wimmernd um Erlösung fleht. Jeder ist noch vor dieser Türe umgekehrt und hat in schneller Flucht das Weite gesucht.

Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 116