Der Totenkopf
Zwei junge Bauernsöhne von Hinterhornbach im Lechtal gingen eines
Abends über den Friedhof in das Wirtshaus. Auf dem Wege des Friedhofs
lag ein Totenschädel, welchen der eine der Burschen mit dem Fuße
wegstieß und spöttisch sagte: "Du Glatzkopf, magst nit
heunt mit mir auf d' Nacht essen?" Als der andere dies hörte,
verwies er ihm ernstlich den Frevel, jedoch der Frevler lachte dazu. Im
Wirtshaus saßen sie lustig und weinselig und spielten bis spät
in die Nacht, bis gegen Mitternacht. Da tat es draußen vor der Tür
auf einmal drei heftige Schläge, denn die Tür war abgeschlosssen,
um ungestört spielen zu können. Da keiner die Tür zu öffnen
wagte, so klopfte es dreimal, und eine hohle Stimme verlangte eingelassen
zu werden. Als aber auch zum drittenmal keine Menschenseele aufmachte,
sprang die Tür von selbst auf, und herein trat ein graues Skelett
im weißen Totenhemde, das ging auf den Frevler zu und sprach hohl
und furchtbar die Worte: "Weil du mich auf dem Friedhofe mit dem
Fuße gestoßen und noch dazu Spott getrieben, mich zum Abendessen
geladen, so bin ich nun gekommen und lade auch dich ein. Heute an mir,
morgen an dir!" Das sagte das Totengerippe und keine Silbe mehr und
ging fort. Aber dem Frevler wurde ganz anders zumute, ihm gellte die Totenstimme
unaufhörlich in den Ohren, er wurde vor Schrecken ganz grau und alt
wie ein Greis, und am andern Tag lag er tot im Zimmer. "Heute an
mir morgen an dir!" ist nur zu geschwinde Wahrheit geworden.