Die Verblendung
Auf der Alpe Pletzen, eigentlich Pletza oder Pletzach genannt, unweit der Pertisau im Achentale, war ein junger Mann, insgemein der "Gruababua" geheißen, dessen Vater die Alpe gehörte - ein Senner, der als kühner und verwegener Robbler weit und breit bekannt war. Nun gehen die Senner der dort herumgelegenen Alpen an Sonn- und Feiertagen gerne nach der nahen Wallfahrtskirche Eben zur hl. Notburga in die hl. Messe; so tat auch der Pletznersohn, aber er ging auch nachher in das Wirtshaus und versaß sich da bis in die Nacht hinein, robbelte, fluchte und trank und wurde überlustig, so daß der Ebner Wirt ihn warnte und zu ihm sprach: "Hansail, Hansail! Schau, daß dir am Hoamweg koan Unglück passiert; solch Saufen, Raufen und Fluchen, wie du es an dir hast, tut niemand Glück bringen. Es ist schon finstre Nacht, drum mach dich hoam und hob guati Gedank'n!"
Darauf lachte der Gruababua so wiehernd, wie ein junges, unbändiges
Roß, trank noch einmal, fluchte noch ein paarmal und ging. Lustig
allegro schritt der Bub bei Maurach am Achensee, links vom Ufer gegen
Pertisau - und mit einem Male stand er im See und wußte nicht wie.
Das Wasser schwoll und stieg ihm herauf bis zur Leibesmitte. Wäre
er betrunken gewesen, so würde er alsbald zur Besinnung gekommen
sein, zum Glück aber war er bei voller Besinnung, nur die Lustigkeit
verging ihm, er watete zum Ufer zurück, aber da wurde es immer tiefer
und tiefer, und er mußte froh sein, die Stelle wieder zu erlangen,
wo er gestanden hatte. Und da stand er nun und schrie sich heiser um Hilfe,
aber niemand hörte ihn. Die Nacht verging; 6 Stunden von 10 Uhr nachts
bis morgens 4 Uhr stand der Bub im Wasser, wie gefroren, fror auch, obschon
es Jakobi war; da läutete in Pertisau das helle Aveglöcklein
im kleinen Kirchlein - und weg war alles Wasser, weitab lag der See, der
Hansail stand im Trockenen und rieb sich die Stirne und konnte nun hingehen,
wohin er wollte. Von da an hat der Bub das allzu viele Fluchen und Saufen
gemieden.