Die Wilde Fahrt bei Matsch
Nahe bei Matsch gibt es zwei Punkte, wo in früheren Zeiten um Mitternacht
die Wilde Fahrt vorbeizog oder herabfuhr, nämlich aus dem Kreuztale
und aus Wallfur. Letztere fuhr jedesmal durch das Dorf, kam gewöhnlich
um 10 Uhr nachts daher, polterte herab, daß jedem Hören und
Sehen verging; es war fast, als ob Felsen, Schreine und Kisten oder Pferdegetrampel
abstürzten, dann erscholl dumpfes Geächze durch die Lüfte,
endlich wildes Peitschengeknalle. Um 10 Uhr hielt diese Fahrt 2 Stunden
lang am Dorfplatze zu Matsch still, wo sich die Wege kreuzten. Eine Gasse
führt abwärts zu den Ruinen Matsch, die andere oben hin über
Schinderlatten (Galgenbüchel) hinaus nach Mals im Vintschgau. Wenn
um diese Zeit (von 10 bis 12 Uhr) jemand vorbeiging, der war verloren.
Nur die Nachtwächter oder ein ganz unschuldiger Mensch konnten unbeirrt
vorbeigehen. Mit Schlag 12 Uhr aber ging es noch lärmender weiter,
es rauschte und tobte hinab zum Bache, wo es sich endlich im Schloßwald
verlor. Man konnte jedoch lange noch das Gelärm und Geknall im Dorfe
hören, obgleich der Schloßwald fast ¾ Stunden ferne
liegt. Doch das Merkwürdigste an dieser Wilden Fahrt war, daß
voraus immer ein gar zierlich geputzter Schuh ging, ohne daß man
etwas anderes sehen konnte, und wenn derselbe ruhig stand und jemand hineinstieg,
der wurde alsogleich unaufhaltsam fortgerissen und weithin an Felsen und
Berge getragen. Diese Fahrt fand fast alle Freitage statt.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 242.