Der Wilde zerreißt ein Seligfräulein
Auf der Alpe Weirich bei Navis waren einst die Sennen mit Mähen beschäftigt, als weiter droben auf der Galtwiese sich ein jämmerlicher Hilferuf hören ließ, und wie die Mäher hinaufblickten, sahen sie mit Entsetzen, wie ein riesenhafter Wilder Mann ein Seligfräulein zerriß, das die gehörten Schmerzenstöne ausstieß. Ein lustiger, kecker Hirte rief, als der Riese enteilte, ihm spottweise nach: "Mir a mein' Toal!", und als er am folgenden Morgen in die Sennhütte ging, fuhr er erschreckt zusammen, denn oben an einem Nagel hing wirklich ein Stück von dem Schinken* des seligen Fräuleins. Seit dieser Zeit war der Hirte nie mehr munter, und kein Lachen kam mehr über seine blassen Lippen, er hatte für sein ganzes Leben genug gesehen.
* Schinken = Fuß, wie Blutschink = Blutfuß
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 304.