Die Zwerge strafen die Gemsjäger
Die Volkssage im Paznauntale legt nicht nur den Seligfräulein und Wildfräulein die Vorliebe für die Gemsen und deren Hegung in unterirdischen Felshöhlen bei, sondern auch den Bergzwergen oder Nörgglen. Auch diese schirmen und bewachen das wilde Alpenvieh, ihre Kühe, welche sie melken und deren Milch sie trinken. Als eines Tages eine Gemse außen blieb und nicht zum Melken hereinkam, suchten die Zwerge im Walde herum und fanden dieselbe nebst dem Jäger, der sie geschossen hatte, in einer kleinen Holzhütte. Alsbald drängten sie zuhauf durch die Fenster und durch die Türe auf ihn zu, sich ins Unendliche vermehrend, und drohten ihn zu erwürgen oder zu erdrücken. Der Jäger sah ein, daß mit den kleinen "Bauxeln" nicht zu spaßen sei, entschuldigte sich und versprach, künftighin nie eine Gemse zu schießen - auf diese Zusage ließen sie ihn in Frieden und verloren sich nach und nach so, wie sie gekommen waren.
Der Jäger aber war ein verdorbener Mensch, der hielt sein gegebenes Manneswort nicht und ging bald wieder auf die Gemsenjagd. Das sahen die Zwerge und stürzten ihn über den hohen Felsen hinab, der in der Nähe des Dörfleins See steht. Ist ihm auch recht geschehen, sagen die Leute - wer nicht Wort hält, soll gestraft werden.
Quelle: Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben
von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Nr. 208.