Das Hexenverbrennen.
Mitgeteilt von Josef Knittel.
In der Gemeinde Pinswang in Ausfern hat sich ein alter Volksbrauch bis auf den heutigen Tag erhalten. Der erste Sonntag in der Fastenzeit heißt bei der dortigen Bevölkerung der „Funkensonntag“. An demselben geht es nach Eintritt der Abenddämmerung, zirka 7 Uhr, alljährlich höchst lebhaft zu, indem das „Hexenverbrennen“ verbunden mit „Scheibenschlagen“ stattfindet. Die Burschen des Ortes tragen auf einer Stange eine große Strohpuppe, welche mit alten, weiblichen Kleidern angetan ist, durch das Dorf, dabei singend: „Vivat hoch, die Hex hat Durst — sie will auch eine lange Wurst!“ Mehrere Begleiter tragen an Drahtringen oder Schnüren eine Menge in der Mitte durchbohrter Scheibchen um die Brust. Bei den Gasthäusern des Ortes wird „Halt“ gemacht, wo dann die Puppen- und Scheibenträger mit „leichtem“ Weine bewirtet werden.
Nach der Runde im Dorfe bewegt sich der Zug auf einen benachbarten Hügel, welcher von allen Seiten des Dorfes sichtbar ist. Dort ist bereits ein mächtiger Holzstoß bereit, auf welchem die Stange mit der „Hexe“ befestiget wird. Unter Jubel und Gesang der Burschen wird nun das Holz in Brand gesetzt und lodern alsbald die Flammen hoch empor. In der Nähe hört man auch Musik und Böllerknall.
Nachdem die Hexe verbrannt ist, beginnt das „Scheibenschlagen“. Die mitgebrachten kleinen Scheiben aus Buchenholz werden an Stecken befestigt, im Feuer glühend gemacht und dann einzeln mit Hilfe des Steckens mit großer Wucht von den Burschen unter allerlei Sprüchen zu Tal geschleudert. Die glühenden, durch die Luft schwirrenden Scheibchen sehen Sternschnuppen sehr ähnlich.
Eine Menge Leute, besonders auch aus dem benachbarten Bayern, bilden die Zuschauer. Die Gastwirte in Pinswang machen am Funkensonntag gute Geschäfte.
Quelle: Josef Knittel, Das Hexenverbrennen, in: Tiroler Heimatblätter, 4. Jahrgang, Heft 4, April 1926, S. 123.