Der Bauernstein
Viele Winter sind seither vergangen, als diese Begebenheit stattfand. Ein Bauer von Salvenberg - er war Kartenspieler, wie man im Brixental keinen zweiten finden konnte - saß spät abends noch im Wirtshaus. Da er ein Vieh verkauft hatte, war seine Brieftasche dicker und er ging in das Wirtshaus, um dort einen zu treffen, mit dem er Karten spielen konnte. Aber niemand wollte mit ihm spielen. Jeder entschuldigte sich mit einer guten Ausrede, man wußte nur zu gut, daß, wenn man mit ihm spielt, es zu Streitereien kommt. Aus Übermut nahm der Bauer ein Geldstück, warf es auf den Boden und sagte: "Wenn mit mir niemand Karten spielen will, so zertrete ich das Geld, da ich sonst doch nichts anfangen kann!"
"Mit dem Zertreten ist das Geld nicht wertlos. Findet das Geld jemand und reinigt es, dann hat es wieder den gleichen Wert wie zuerst", sagte einer der Anwesenden.
"Heute noch wird das ganze Geld, welches ich bei mir trage, vernichtet. Ich bin reich genug, daß ich dadurch nicht ärmer werde. - Lieber tat' ich schon Karten spielen, aber es muß nicht sein. Wenn ich das Geld in das Feuer werfe? Wenigstens werde ich es los", spottete der Bauer. Dabei leerte er das Geld auf den Tisch. "Nur nicht freveln", mahnte ihn der Wirt.
Langsam verließen die Gäste das Wirtshaus. Sie wollten den Bauern in seinem Treiben nicht mehr sehen. Dem Bauern war das Gehen nicht besonders dringend. Er bestellte einen Wein, trank ihn und begann wieder mit seinen Frevelreden. Dem Wirt wurde dies zu bunt; er schob den Bauern samt dem Geld vor die Tür hinaus und riegelte die Tür zu.
Idyllische Bank mit Kruzifix im Schatten vor der
Elsbethenkapelle
© Berit
Mrugalska, 29. Mai 2005
Statt nach Hause zu gehen, ging der Bauer nach Haslau, um beim dortigen Wirt weiter zu freveln. Wie er sah, daß schon alles schlafen gegangen war, dachte er sich: "Jetzt gehe ich nach Elsbethen, damit ich heute noch einen guten Schnaps krieg'!" Er ging nach Elsbethen, setzte sich auf die Bank vor dem Kirchlein und lärmte eine Weile.
"Bauer, ich sag dir, geh weg!" mahnte ihn eine Stimme. Da wurde er wild und warf das Geld vor die Kirchentür hin. Er hörte ein Gerede und schon standen drei Männer vor ihm. Ein Langer und zwei Bewaffnete.
"Was tust du hier?" fragte der Lange.
"Was geht euch dös an?" erwiderte der Bauer.
"Schenk das Geld armen Leuten", sprach ein Bewaffneter.
"Ich verbrenn's!" sprach der Bauer wild.
"Dein Herz ist kalt wie Stein, deine Zukunft wird ebenso sein, denn heute Nacht wirst du zu Stein", sprach mit feierlicher Stimme der zweite Bewaffnete.
Alle drei verließen den Bauern.
Der Bauer stand auf. Er suchte das Geld. Wie er das erste Geldstück in die Hand nahm, fiel er um und war zu Stein geworden.
Hier ein Trittstein im Eingang des Elsbethenkirchleins
Inschrift "1897"
© Berit
Mrugalska, 29. Mai 2005
In derselben Nacht noch verschwand der Stein. Er wurde in
den Engelsberg getragen. Seine Seele wurde durch eine hl. Messe, welche
im Elsbethenkirchlein aufgeopfert wurde, erlöst. Sein Leib blieb
und bleibt Stein bis zum jüngsten Tag.
Quelle: Anton Schipflinger in: Sonntagsblatt Unterland
1937, Nr. 21, S. 7
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).