Die Götzenfrauen auf der Hohen Salve
Auf der Hohen Salve lebten drei wilde Frauen, wovon zwei schwarze Hände hatten, die dritte hatte schwarze Füße. Den Tag verbrachten sie mit Tanz zu Ehren der Sonne. Nahrung nahmen sie selten, und wenn sie eine zu sich nahmen, dann nur während der Dunkelheit. In aller Frühe erhoben sich die drei wilden Frauen von ihrer Schlafstatt und begannen mit dem Götzentanz. Die mit den schwarzen Füßen stellte sich zwischen die zwei anderen und begann:
"Sonn', Sonn', dir gehört alles!" Dabei trat sie zwölf Schritte zurück und die anderen zwölf Schritte vor.
"Sonn', Sonn', dir gehören wir!" begannen nun die nach vorne Gerückten und traten zwölf Schritte zurück. Die andere trat zwölf Schritte nach vorne. Jetzt waren sie wieder beisammen. Sie kehrten sich um, schrien zugleich: "Sonn', Sonn'n, wir sind für dich!" Sie begannen nun siebenmal um die Kuppe der Salve zu laufen.
Diese Handlung wurde den ganzen Tag immer von neuem begonnen. Nur um zwölf Uhr hielten sie eine kurze Rast.
An einem nebeligen Sommertage verirrte sich ein Kuhhirt und kam auf den
Gipfel der Hohen Salve. Man mied jede Berührung mit den Götzenfrauen,
denn jeder wußte, wie es die Götzenfrauen mit den Menschen
machen. Als die Götzenfrauen den Kuhhirten erblickten, schauten sie
ihn grimmig an. Er wollte fliehen, da faßte ihn eine und erwürgte
ihn. Doch als sie sahen, was sie getan hatten, flohen sie. Nur die, welche
den Kuhhirten erwürgt hatte, mußte bleiben, bis sie der Tod
in Empfang nahm.
Quelle: Anton Schipflinger in: Tiroler Grenzbote, 1937
Nr. 37; Die Heimat Glocke (Beilage zum Tiroler Grenzboten und zum Tiroler
Volksblatt, Blatt 6, S. 6.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).