Der Salvenhirt
Die hohe Salve soll in alter Zeit eine gottgesegnete Alm gewesen sein. Wie es nun ist, wenn es jemandem zu gut geht; man kannte kein Maß und Ziel mehr. In der Milch badeten sich die Älpler, Wege bestrichen sie mit Butter. Nur einer von diesen Almleuten dachte anders. Es war der Kuhhirt. Er mahnte seine Kameraden. Diese schlugen alles in den Wind.
Eines Tages kam das unausbleibende Strafgericht. Es wollte nicht mehr Tag werden. Als der Senner zu seinem Vieh nachschauen ging, traf ihn der Blitz.
Die anderen fingen an zu beten und den Herrgott zu bitten, daß er ihnen das Leben schenke. Der Kuhhirt kniete in einem Winkel der Almhütte. Als sie den schmerzhaften Rosenkranz zu Ende gebetet hatten, stand er auf und sagte: "Ich will mein Leben für das Eure geben:" Schnell riß er die Tür auf und verschwand in der Dunkelheit.
Kurze Zeit darauf wurde es hell, die Sonne schien, nur die Kühe wollten nicht mehr bleiben. Sie rissen sich los und eilten dem Tale zu. Die Älpler hinterher. Kaum hatten sie die Alm verlassen, so ertönte ein Donner und die Almhütten waren verschwunden.
Von dem Kuhhirten, der sein Leben für das der anderen hergab, hörte
man nie mehr etwas.
Quelle: Anton Schipflinger in: Tiroler Heimatblätter,
1939 Nr. 4, S. 114-116.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).