Das Sünderbild
Einige Jahre nach dem Entstehen des Kirchanger-Kirchleins, der Ruf als Wallfahrtsort drang immer mehr in das Volk, fand ein leichtsinniger Handwerker ein seltsames Bild. Das Bild hatte mittlere Größe und stellte sechs geheimnisvolle Zeichen dar. Es war ein Sünderbild. Wer ein Sünderbild fand, mußte es in eine Wallfahrtskirche tragen und dort warten, bis das Bild verschwand. Der Handwerker lachte und spottete über das Bild. Er trug es in das Kirchanger-Kirchlein und wartete dort spottend auf die Dinge, die da kommen werden. Zuerst erschien eine alte weinende Frau; diese jammerte. Ihr folgte ein Knabe mit gefalteten Händen. Nun kamen der Teufel, eine Hexe und ein Zwerglein.
(Es ist auffallend, daß in einer Kirche der Teufel auftreten kann.)
Als letztes kam ein junges Brautpaar. Das Brautpaar nahm das Sünderbild,
gab es dem Teufel und sprach dabei einige unverständliche Worte.
Dann verschwanden alle wieder. Der Handwerker war froh, die Kirche verlassen
zu können.
Quelle: Anton Schipflinger in: Sonntagsblatt Unterland
1937, Nr. 21, S. 5
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).