Der weiße Teufel vom Kirchanger
Ein reicher Bauer, welcher auch Wirt war, hatte einer Bäuerin die Heirat versprochen. Auch des Bauers Knecht wollte diese Bäuerin zur Frau haben. Daß die Bäuerin den reichen Bauern bevorzugte, ist wohl verständlich. Dies wollte der Knecht auf alle Fälle verhindern. Die Furchtsamkeit des Bauern nutzte der Knecht nun ordentlich aus.
Er verkleidete sich zu einem Teufel mit einem weißen Kopf. In der Nacht, als der Bauer beim Kirchanger-Kichlein vorbei ging - er war bei seiner Braut -, trat der Teufel hervor, hielt den Bauern auf und sagte: "Wenn du mit der Liebschaft mit der Bäuerin nicht abstehst, so bist du mir verschrieben."
"Ich stehe ab! Ich stehe ab! Ich krieg' schon eine andere!" erwiderte der Bauer und wollte weiter gehen.
"Und noch etwas mußt du mir tun", fing der Teufel von neuem an. "Eine Nachbildung von mir mußt du rechts am Altare dieses Kirchleins aufstellen"; dabei zeigte der Teufel an das Kirchanger-Kirchlein.
"Ich werde alles machen, gar alles!" versprach der Bauer.
Der Teufel ließ ihn gehen.
Am nächsten Tage mußte der Bauer der Bäuerin die versprochene
Heirat absagen. Und als nächster Werber kam der Knecht und erhielt
die Hand. - Ob ein weißer Teufel im Kirchanger-Kirchlein aufgestellt
wurde, weiß niemand. Der "Teufel" wird sich darum nicht
mehr gekümmert haben; die Hauptsache war: er hatte die Bäuerin
zur Frau.
Quelle: Anton Schipflinger in: Sonntagsblatt Unterland
1937, Nr. 21, S. 5
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).