Der Elsbethener Zwerg
Nachdem das Elsbethenerkirchlein schon einige Jahrzehnte stand, wurde ein Zwerg Pförtner. Der Zwerg machte seine Arbeit immer ordentlich und alle Leute hatten ihn gern, denn er war ein gar freundlicher, redegewandter Zwergenherr.
Schindelgedecktes Walmdach mit Dachreiter und pyramidialen
Helm, Elsbethenkapelle (Hopfgarten im Brixental)
bekrönt mir einem Kreuz und ohne Zwerg...
© Berit
Mrugalska, 29. Mai 2005
Einmal hörte der Zwerg, wie zwei Bäuerinnen während des Rosenkranzes miteinander tratschten. Voll Zorn hüpfte der Zwerg auf den Hut einer der beiden Bäuerinnen und wollte ihr den Kopf zurecht setzen. Dies sahen die anderen Leute und murrten über den Zwerg. Er wurde hinaus befördert und tüchtig gescholten. Darüber war der Zwerg beleidigt; er setzte sich auf die Turmspitze und weinte. Viele Leute hatten mit ihm Mitleid und versuchten ihn zu trösten. Der Zwerg ließ sich nicht trösten, er blieb stumm.
Nach einigen Monaten kamen die beiden Bäuerinnen, die den Zwerg unglücklich gemacht hatten, wieder. Auch diesmal tratschten sie. - Der Zwerg stieg vom Turm und sagte leise: "Zwei Weiber haben geratscht, darum werden sie gewatscht."
Als die beiden Ratschbasen aus dem Kirchlein gingen, erhielt jede vom Zwerg zwei Watschen. (Ob sie weh taten, ist eine Frage, denn ein Zwerg ist doch nicht imstande, eine "Tüchtige" herzugeben.)
Der Zwerg wurde nie mehr glücklich. Es tat ihm sehr leid, daß er in der Kirche mit den Bäuerinnen diese Dummheit machte.
In einer Sommernacht verließ er Elsbethen für immer. In der Kirche fand man einen kleinen Schatz, welchen der Zwerg für die Kirche spendiert hatte.
Darstellung der Elsbethenkapelle, hier noch im
barocken, rosafarbenen Erscheinungsbild
ein Redner (Priester) befindet sich vor dem Kirchlein,
von Zuhörern umgeben, einige haben sich
am Engelsberg in die Wiese gesetzt, vielleicht ein Patroziniumsfest (Kirchweih)?
Gut zu erkennen sind die Bäuerinnen in ihrer Festtagstracht mit den
bunten Schürzen
© Berit
Mrugalska, 29. Mai 2005
Quelle: Anton Schipflinger in: Sonntagsblatt Unterland
1937, Nr. 20, S. 5
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner
näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger
Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler,
Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).