Die Almabfahrt der Kasermanndln

Kematner Alm
Die Kematner Alm mit dem beeindruckenden Panorama der Kalkschrofen im Hintergrund
© Berit Mrugalska, 6. Oktober 2004

 

Auf der Kematner Alm haust ein Kasermanndl, das nur dem Schaffer sichtbar ist und oft mit ihm redet, ohne von den übrigen Sennen bemerkt zu werden. Einmal sagte dasselbe am Portiuncula-Abend zu ihm:

"Joggl, du geast morg'n auß'n Kirch'n, sist weard d'r nit guat gian!"

Betriebsgebäude der Kematner Alm
Betriebsgebäude der Kematner Alm
dahinter die Gedächtniskapelle der Lawinenverunglückten vom 1. März 1963

© Berit Mrugalska, 6. Oktober 2004

Als sich nun der Schaffer andern Tags auf den Weg machte, sah er das Kasermanndl immer vor sich hergehen, bis sie den Friedhof erreichten, wo es zurückblieb.

Am Martinsabend fahren alle Kasermanndln von den Alpen ab. Sie sind dann in Geißen verwandelt, haben grobe "Knoschpen" an den Füßen und müssen schön paarweis gehen, während das Manndl von der Kematner Alm als Gans hinten herwatschelt.

Einst gieng ein Bursche am Martinsabend etwa zwischen 10 bis 12 Uhr nachts von Völs nach Kematen,hörte das Geklingel und Geklapper des ihm entgegenkommenden Zuges und mußte sich beeilen, daß er noch das steinerne Marterl erreichte, welches er dann fest umklammerte. Nun konnte er die Kasermanndl ruhig erwarten und an sich vorbeipassieren lassen. Als er jedoch der Gans ansichtig wurde, rief er aus:

"Kimmst iatz, du Niagl?"

Sie aber entgegenete:

"Standest du nit do, wollt i di schun niagel"

und gieng ihres Weges weiter. Jetzt getraute sich der Bursche nicht mehr, das Marterl vor dem Betläuten wieder loszulassen.

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 25/1.