Die große Sterb
Als einst im Zillerthale die große Sterb (Pest) gewüthet hatte,
blieben nur zwei arme Dienstboten vom Tode verschont. Es waren dies ein
Knecht Lenz (Laurenz) mit Namen, der in einem Weiler unweit von Mairhofen
lebte, und eine Dirn, welche in einer Hütte am gegenüberliegenden
Zillerufer zu Hause war. In trauriger Stimmung gieng sie einmal hinab
gegen den Fluß, um Umschau zu halten, ob denn gar alles ausgestorben
sei, bemerkte aber zu ihrer größten Freude auf den Feldern
des jenseitigen Ufers den ihr wohlbekannten Knecht und rief so laut sie
konnt: "Ho, Lenz!" Dieser auch nicht wenig erfreut, sprang mit
dem Rufe: "Burgal!" in den Ziller, watete zu dem Mädchen
hinüber, und kurze Zeit darauf heirateten sie sich. Seitdem nennt
man die Weiler, in welchen die Stammeltern der Zillerthaler wohnten, Holenzen
und Burgstall.
Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer
Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von
Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 128/1.