Die Hexe in Gleis
Eine gefürchtete Hexe war auch im Weiler Gleis oberhalb Schönberg. Als eine Verwandte zu ihr gestorben war und für die Dahingeschiedene eine hl. Messe gelesen wurde, verdroß es die Hexe, daß sie von aller Arbeit weglaufen mußte und sie sagte unmuthig zu ihrer Dirn: "Heit mueß i Kirch'n gien und war z'schleg'ln"*). Das Mädchen meinte: "Jo's Schleg'ln kun i schun a;" worauf ihm die hexe ausdrückliche befahl, einen "Bättn'grol", bevor es die Arbeit beginne, ins Butterfaß zu geben. Nachdem die Bäurin fort war, richtete die Dirn alles zum Schlegeln her, nahm zuletzt noch den Rosenkranz vom Fenster und wollte jene Perle von der Schnur herauslösen. Da sie aber die längste Zeit an dem Knöpfchen vergebens herummachen mußte, brach ihr endlich die Geduld und sie warf den ganzen Rosenkranz ins Butterfaß. Als sie dann umzudrehen begann, hörte sie drinnen ein lautes Rollen und Tosen, so daß sie fürchtete, es schlage am Ende noch die "Taufen" heraus. Je länger sie umtrieb, desto schwerer gieng's; keuchend vor Anstrengung ließ sie sich nach einiger Zeit die Arbeit mit den Worten stehen: "Z'dertreib'n is nimmar!" Nun kam die Hexe nach Hause, merkte, daß die Magd den ganzen Rosenkranz hineingeworfen hatte und sagte: "Iatz hommer holt vu d'r gonz'n G'moand 's Schmalz, sischt hat'n mir's krod vun oan Bauer".
Hexe mit Katze auf einem Besen fliegend
Wetterfahne, Neustift im Stubaital
© Berit
Mrugalska, 20. Mai 2004
In einem Stalle desselben Weilers wollten sich eines Morgens die Kühe nicht erheben und waren auch trotz vieler Mühe nicht auf die Füße zu stellen. Da war gewiß wieder einmal eine verfluchte Hexerei im Spiele. Entrüstet lief der Bauer zu einem Geistlichen, um sich bei ihm Raths zu erholen. Der Priester gab ihm das Mittel an, mit einem eingeweichten Haselstecken den Kühen so lange die "Stutzen" durchzuhauen, bis sie aufstünden. Dies merkte sich der Bauer und wanderte froh nach Gleis zurück. Einen Haselstecken hatte er schon bei sich, er brauchte ihn nur noch einzuweichen. Dann gieng er in den Stall und hieb ihn der der Thüre zunächst befindlichen Kuh aus Leibeskräften um die Hinterfüße. Lange pressierte es ihr nicht auszustehen, aber sie mußte sich schließlich doch dazu bequemen. Bei der nächsten und jeder folgenden gieng's schon leichter, und die letzte Kuh erhob sich bereits nach dem ersten Streiche. Jetzt lag die schon oben erwähnte Bäurin krank im Bette und verbarg die Arme sorgfältig unter der Decke, denn sie waren ganz blau gegerbt. Anstatt des Viehs, das von der Prügel nicht merkte, schlug man sie selbst, welche die Kühe verhext hatte.
*) Butter machen
Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer
Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von
Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 104.