Der Lanthaler
Auf dem Bauerngute Reisch bei Zell im Zillerthal war einst ein Bauer,
Lanthaler mit Namen, der so schlecht wirtschaftete, daß er sich,
um nicht ganz von Haus und Hof zu kommen, dem Teufel verschreiben mußte.
Da ihn derselbe dem Betrage gemäß noch mehrere Jahre leben
ließ, war de Bauer wieder sorgenfrei und machte sich aus seiner
Handlungsweise nicht viel Gewissenscrupel. Als aber der Tag herannahte,
von welchem an er nur noch ein Jahr leben durfte, begann er sich doch
zu ängstigen, gieng in den Widum und erzählte den Geistlichen
alles, was er mit dem "Gabach'n" verhandelt hatte. Sie gaben
ihm nun den Rath, gleich am andern tage eine Reise anzutreten und erst
nach Jahresfrist wieder in die Heimat zurückzukehren; dabei müsse
er jeden Morgen eine hl. Messe hören und jede Nacht in einem Widum
zubringen. Lanthaler befolgte gern diese Anordnungen und kehrte genau
am Jahrestage seiner Abreise wieder nach Zell zurück. Nun dachte
er sich, hier müsse er doch nicht mehr im Widum übernachten
und blieb zu hause bei den Seinen. Als er aber am Morgen nach Zell hinunter
gieng, um der hl. Messe beizuwohnen, begegnete ihm auf der Zillerbrücke
eine alte "G'sellin", die ihn fragte: "Jo wö geahst
denn dü hi?" "Kirch'n geah i", war die Antwort. Da
wies das Weiblein aber auf die Thurmuhr, und siehe da! Es war zum Gottesdienst
schon viel zu spät. Beunruhigt gieng nun Lanthaler nach Hause, doch
es litt ihn dort nicht lang und er verfügte sich in den Widum, um
dort abermals um Rath zu fragen. Die Herren merkten sofort aus seiner
Erzählung, daß das Weib niemand anderer gewesen sei als der
Teufel, der die Uhren verrückt hatte, denn damals wäre der Bauer
noch lange früh genug zum Gottesdienste gekommen, und erklärten
dem Lanthaler, ihn nicht anders retten zu können, als wenn er eine
Sunde lang in einen vollen Weihwasserpanzen stehe. Auch dazu zeigte sich
der Bauer bereit, doch kaum war er hineingestiegen, sprang er sofort wieder
heraus und eilte seinem Heim zu. Bei dem Kreuze neben der Straße
verließ er jedoch den gewöhnlichen Weg nach Reisch und schlug
lieber einen weitern Waldweg ein, damit ihn der Teufel, der ihm vielleicht
irgendwo aufpasse, nicht gewahre. Der Satan aber saß etwas weiter
oben auf einen Steinsäule und rief dem Bauer, sobald er ihn erblickte,
zu: "Lantholar, Lantholar, iatz warst m'r bold entronnen." Damit
stürzte er sich auf sein Opfer und fuhr mit ihm zur Hölle, wo
es jedoch nur bis zum jüngsten Tag leiden muß. Seitdem sieht
man den Lanthaler oft des Nachts als großen, schwarzen Hund auf
Reisch umgehen.
Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer
Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von
Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 70.