Die Leiche
Ein alter Mann sollte einmal bei einem Bauern Leichenwache halten. Nun verabredeten zwei Burschen, dem Menschen einen tüchtigen Schrecken einzujagen. Sie bohrten deshalb in die Wand, welche die Küche von der Stube, wo der Todte aufgebahrt war, trennte, ein Loch, legten dem Leichnam einen starken Bindfaden um den Hals und richteten es so, daß die in der Küche nur zu ziehen brauchten, um beim Todten eine Bewegung des Kopfes zu veranlassen.
Als der Alte in die Stube trat, war alles fertig, und die Buben warteten nur noch auf einen günstigen Augenblick. Der Mann mochte etwa eine Stunde dagesessen haben, da nickte die Leiche. Zuerst glaubte er, sich getäuscht zu haben. Als sich aber diese Bewegung wiederholte, dachte er sich:
"So hin ist dear amol nit"
und Schritt auf den Leichnam zu. Da bewegte dieser zum drittenmal dem
Kopf, erhob sich aber auch und lief eilig, ohne den Wächter zu beachten,
in die Küche hinaus, um die beiden "oz'magg'n".*) Hierauf
gieng er in die Stube zurück und legte sich wieder ruhig auf das
Rechbrett. (Pradl)
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Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr. 121/2.