Der Bär zeigt dem heiligen Magnus eine Erzader

St. Mang machte sich von Geltenstein, das ihm der Herzog Pipin für sein Münster überlassen hatte, wieder auf, denn er wollte abermals ein Einsiedler werden, und. suchte eine heimliche Stätte zur Wohnung. Da kam er auf einen hohen Berg, namens Schwindling, Daselbst begegnete er viel greulichen Bären, die sich auf Anrufung des Namens Gottes allesammt wie zahme Hündlein ihm zu Füßen legten. Nun waren aber die Leute dieser Gebirgsgegend über die Maßen arm und hatten nichts, womit sie sich ernähren konnten. Darüber erbarmte sich der liebe Herr St. Mang gar sehr. Er warf sich eines Tages kreuzlings auf die Erde und bat den Herrn, dass er dem Volk des Landes etlichen Nutzen erzeige, davon sie ihre Nahrung hätten. Alsbald rührte ihn etwas am Fuße, und wie er aufsah, stand ein wilder Bär vor ihm und wies mit seiner Bratze [Pratze] auf einen Baum. Der Heilige gieng mit dem Bären zur Stelle, und dieser riss den Baum aus der Erde sammt den Wurzeln und allem. Da erblickte der Heilige im Loche eine große Menge des Erzes, daraus man Eisen macht. Und er nahm ein Brot aus seinem Säckel, gab es dem Bären und sprach:

"Da, iss dies Brot, das ich dir zum Danke gebe:
aber thu' weder Menschen noch Thieren [Tieren] fürder ein Leides!"

Darauf gieng St. Mang in seine Zelle heim und der Bär hinter ihm und verblieb bei ihm anstatt eines Haushündleins. Und der Heilige schickte seinen Diener aus, dass er das Volk des Landes zur Stätte weise, um das Erz zu graben und sich damit die Nahrung zu verdienen. Da huben die Leute an zu graben und fanden je länger je mehr an derselben Statt.

Magnus-Reliquien
Die Magnus-Reliquien, St. Mang in Füssen
Zentral sein Stab, im linken Kreuzarm sein Brustkreuz, rechts der Kelch
und im Fuß Knochensplitter

© Berit Mrugalska, Mai 2006

Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897, Nr. 3, S. 12