Das versunkene Dorf auf der Bodenalm
Von der der Gemeinde Strengen zugehörigen, im Almajurthal [Almajurtal] im Gemeindebezirk Kaisers liegenden Bodenalm erzählt die Sage, dass sich dort vor Zeiten ein schönes Dorf befunden habe. Die Bewohner gelangten durch den ergibigen [ergiebigen] Bergbau zu unermesslichem Reichthum [Reichtum]. Dieser aber hatte Übermuth [Übermut] und Ausgelassenheit zur Folge, und als das Maß des Frevels voll war, versank das ganze Dorf in den Erdboden. In der Nähe der Sennhütte hört man oft ein seltsames, unheimliches Klingeln, als käme es von dem Läuten weit entfernter Kirchenglocken. Es lassen sich nämlich die silbernen Glocken der versunkenen Dorfkirche aus dem Erdinnern heraufhören. Ein Hirtenknabe, so geht die Prophezeiung, wird einst mit seinem Stecken auf den goldenen Thurmknopf [Turmknopf] stoßen und die silbernen Glocken auffinden.
Thatsächlich [Tatsächlich] ist es erweislich, dass früher auf der Boden- und der benachbarten Erlachalm Erz gegraben wurde. Die Hütte, worin die Bergknappen gewohnt haben sollen, wurde von der Gemeinde Kaisers zum Schießstand umgewandelt.
Beim Bau der Sennhütte "auf dem Boden" stieß man
auf Mauerwerk, ein Stück der Mauer wurde auch vom Vallesinbach bloßgelegt,
wahrscheinlich ein Rest des einstigen Schmelzofens.
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 29, S. 27