Das Dreifürstenmahl am Lusalten
Der Lech wird beim St. Mangtritt, wo Julius Cäsar hoch zu Rufs über
das Gewässer setzte und der heilige Magnus die schauerliche Schlucht
überschritt, in ein schmales Rinnsal gezwängt, das er zornig
durchwühlt, worauf er über die hochgethürmten [hochgetürmten]
Felsmassen tosend hinabstürzt, in buntfarbigen Gischt zerstiebend.
Hier führt der Lech im Volksmund den Namen Lusalten. Ehe er den sich
entgegenthürmenden Felsen durchbrach und in Staubfällen abfloss,
dämmte sich ein gewaltiger See an. der das ganze Vilsthal [Vilstal]
bedeckte, ein Rest der uralten Sintflut. Zur Zeit der Römer war der
See nicht mehr vorhanden, da man unter dem ehemaligen Seeboden zahlreiche
römische Münzen und Schmuckgegenstände gefunden hat. Später
stießen in der Nähe des Lusalten die Grenzen Tirols, Baierns
[Bayerns] und des Reichsfürstenthums [Reichsfürstentums] Augsburg
hart aneinander. Man erzählt, der prachtliebende Herzog Sigismund
von Tirol habe nach etlichen unliebsamen Spänen mit den Nachbarfürsten
denselben gute Nachbarschaft angetragen und sie möchten kommen und
eins darauf trinken. Und die Herren Nachbarn, der Herzog aus Baierland
und der Bischof, seien auch wirklich gekommen, und alle drei hätten
sie beim Lusalten auf einem Tische gegessen und einander auf gute Nachbarschaft
zugetrunken, und doch sei jeglicher von ihnen im eigenen Lande gesessen.
Das kam so. Sie saßen an einem dreieckigen Tische, davon gieng jede
Ecke in ein anderes Land, und die Stühle davon standen auf Grund
und Boden derjenigen Fürsten, die darauf saßen, so dass des
Bischofs Stuhl im Augsburgischen, des Herzogs von Baiern Stuhl im Bairischen
und der des Habsburgers auf Tiroler Boden war.
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 7, S. 14f