Der dumme Hansl heiratet die Königstocher
Ein Bauer hatte drei Buben, zwei gescheide und einen dummen, der Hansl
hieß. Wie nun der Vater die Augen für immer zugethan [sic]
hatte, theilten [sic] die beiden gescheiden Söhne das Erbe unter
sich und sagten zum Hansl: "Hansl, du bist in der Wirtschaft der
liebe Niemand, schau, dass dir anderswo der Weizen blüht!" und
jagten ihn vom Hause fort. Der Hansl wollte sich schon helfen und gieng
[sic] singend von dannen, als wäre die ganze Welt sein eigen. Da
kam er auf eine Wiese, wo es viel Heustiffeln gab, mit frischem Heu behangen,
und weil es schon dunkel war, trug er sich soviel Heu zusammen, dass darauf
gut liegen war, und legte sich schlafen. Um Mitternacht aber trug es sich
zu, dass ein großer Leiterwagen auf die Wiese gefahren kam, an den
waren sechs Rappen gespannt, die alle Feuer bliesen, und der Fuhrmann
war ein greulicher Riese. Der begann alsbald mit einer silbernen Heugabel
das Heu aufzuladen, packte auch den locker, worauf der Hansl schlief,
und schützte beide auf den Wagen hinauf zum anderen Heu. Und weil
Hansl seinen rechten Fuß, gerade unter dem Wiesbaum hatte und der
Fuhrmann den Baum tief in die Ladung presste, hätte der arme Junge
laut aufschreien mögen vor Schmerz, aber er getraute sich nicht und
blieb fein still. Als nun das Fuder voll war, fuhr der Wagen ab und einem
unterirdischen Schlosse zu, das nicht weit davon lag. In demselben lud
der Riese das Heu ab und damit auch den Hansl. Darauf gieng er zu Bett
und legte neben sich sein langes Schwert, zog auch aus dem Leibgurt zwei
goldene Schlüssel, die er unter das Kopfkissen steckte, und schlief
ein. Als der Haust den Riesen schnarchen hörte, kroch er aus dem
Heu, schlich zur Bettstatt des Riesen, fasste das Schwert und hieb ihm
stracks den Kopf herunter. Darauf nahm er die Schlüssel und öffnete
das Nebengemach. Wie staunte der Dumme, als er hier die Wände von
lauter Gold und Silber schimmern sah, als war' es Heller Tag! Mitten im
Gemach aber lag eine große Trommel. Der Hansl wollte wissen, was
für einen Ton das Instrument wohl gebe, war nicht faul und schlug
so kräftig darauf, dass es war, als ob ein Donnerwetter anzöge.
Im selben Augenblick stand auch schon ein winziger Mohr in rothem [sic]
Röcklein und mit einem grünen Käpplein auf dem Kopf mitten
im Gemache. Das Männlein verneigte sich vor dem Hansl und fragte,
was zu Befehl stünde. Auf die Frage, wer er sei und woher er komme,
antwortete es: "Ich bin der König des Zwergenreiches, das diesen
Berg zueigen besessen hat, bis uns der Riese dienstbar machte; da du den
Riesen überwunden hast, müssen wir dir unterthan [untertan]
sein." Auch nicht übel, dachte sich der Hansl und befahl dem
Mohren, alle Zwerge seines Reiches ihm zur Musterung vorzuführen.
Der König gehorchte und brachte im Nu viel tausend kleine Leute herbei,
die sich alle wohlgeordnet in Reih' und Glied vor ihm aufstellten. Der
Hansl musterte sie also mit einer Miene, dass kein Kaiser eine gewichtigere
aufbringt, theilte jedem seine Rolle zu und gab dem Winzigsten, weil er
so klein war, dass er durch alle Ritzen und Löcher kriechen konnte,
den Befehl, auszugehen und ihm jeden Abend zu berichten, was draußen
im Reich der Menschen tagsüber sich ereignet habe. Es stand aber
nicht weit davon ein Königsschloss, in dem wohnte eine Prinzessin,
so schön von Angesicht, dass jedem, der sie ansah, das Herz im Leibe
zu zerspringen drohte. Und es kamen viele Ritter und Grafen und Königssöhne,
um die Jungfrau zu werben, und weil sie der König keinem gönnte,
ließ er einen Berg machen, ganz von Glas und inwendig hohl, und
verkündete, dass nur derjenige die Tochter bekomme, der auf den gläsernen
Berg reite bis auf den Gipfel. Oben ließ er aber eine gläserne
Burg aufstellen, die künstlichste, die je von Glas gearbeitet worden,
und darin nahm die Prinzessin Wohnung. Da ward die Neugierde und Lust
der jungen Ritter noch viel mehr angeregt, als
man ihnen vom glasenen [gläsernen] Berg erzählte und der glasenen
Burg auf dem Gipfel und von den Vögeln und dem Gewilde [Wild] und
andern wunderbaren Thieren [Tieren], die auf des Berges Abhang zu sehen,
und ein jeder wollte die Königstochter gewinnen. Und sie sprengten
auf raschen Gäulen den glasenen Hang empor, jeden Tag einer, und
jeden Tag lag einer mit zerschmetterten Gliedern unten neben seinem zerschellten
Ross. Das sah von oben die Prinzessin und trug darob schweren Kummer im
Herzen.
Eines Abends kam das Zwerglein aus dem Reich der Menschen wieder heim und erzählte dem Hansl, was es gehört, von dem Ritt auf den gläsernen Berg und setzte hinzu, dass einer leicht zur Prinzessin käme, wenn er nur wüsste, wie es anzustellen wäre. "Und was muss der thun?" fragte Hausl den Kleinen. "Was der thun muss," entgegnete der Zwerg, "will ich Euch gerne sagen. Es muss einer einen goldenen Harnisch anhaben und sein Ross diamantene Nägel in den Hufeisen. Dann muss er im Hinaufreiten Goldstücke unter die unten stehenden Armen auswerfen, und hat er glücklich den Gipfel erreicht, so darf er die ihm entgegeneilende Prinzessin nicht gleich küssen, sondern muss vorher dreimal um das gläserne Schloss herumreiten. Dann erst darf er die Jungfrau begrüßen und als sein eigen betrachten."
Über die Rede des Zwergleins trug der Hansl nicht großes Leid und sprach, als jener kaum ausgeredet: "Da muss ich mein Glück machen; ich setze mein Leben dran, dass ich die Jungfrau erlange. Du bist mein getreuer Unterthan und musst mir helfen." Der Zwerg wollte ihm abrathen [abraten], allein Hansl ließ sich nicht irre machen, denn er hatte es sich einmal in den Kopf gesetzt, nach der Prinzessin zu reiten. Und so ließ er alle Zwerge zusammen kommen und theilte ihnen seinen Vorsatz mit; sie mussten nun Tag und Nacht arbeiten, bis die herrlichen Sachen fertig waren, die er brauchte. Sodann brach er auf und ritt, bis er zum gläsernen Berg kam. Da stand schon, wie alle Tage, um den Berg herum eine Menge neugierigen Volkes, und jedermann sperrte Augen und Mund weit auf, als der Hansl auf prächtigem Schimmel mit goldenen Hufeisen und diamantenen Nägeln darin, selber in goldenen Harnisch gekleidet und einen goldgestickten Säckel voll blanker Dukaten umgehängt, ohne langes Besinnen den gläsernen Berg hinaufsprengte und im Reiten Goldstücke unter die Leute regnen ließ. Und wie die Königstochter von oben herab durch den Berg den stattlichen Ritter erblickte, da konnte sie sich vor Freude nicht satt sehen am Hansl und an seinen Goldsachen. Und weil die diamantenen Nägel scharf ins Glas bissen, konnte der Schimmel nicht abstürzen, und Hansl bewunderte mit der größten Ruhe die Vögel, das Gewild und die andern wunderbaren Thiere des Berges. Und durch das Glas konnte er schon die Prinzessin erblicken und den goldenen und silbernen Hausrath [Hausrat] in der Glasburg, Tische und Stühle, Becher, Schüsseln und Kannen, Spiegel und Kronleuchter und alles.
Über eine kleine Weile war er oben, und die Prinzessin hatte ihr
schönstes Kleid angethan [angezogen] und stand schon vor dem gläsernen
Burgthor [Burgtor]. Hausl jedoch winkte nicht und nickte nicht und ließ
den Gaul noch einmal ausgreifen um das Schloss herum. Es gieng schwer,
und ganze Stücke Glas brachen unter den Hufen los, aber zuletzt gelang
auch der Umritt, und wie der Hansl das drittemal zum Thore [Tore] gelangte,
sprang er flink ab und küsste seine Braut. Wie der König das
hörte, kam er mit der Königin auf den Berg und richtete seiner
Tochter mit dem schmucken Hansl im goldenen Harnisch die Hochzeit ans,
und alle saßen vergnügt, aßen und tranken und waren voller
Freude. Und willst du wissen, wie's weiter geht, musst du warten, bis
der Hansl vom Mahl aufsteht, um über Zaun und Graben den Glasberg
herabzutraben.
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 7, S. 50ff