Die leichtsinnigen Melker

In der Wildschönau lebten einmal zwei Melker, denen überall die Kost zu grob und nirgends etwas recht war. Sie brachten überall, wo sie dienten, Hader in die Wirtschaft, maulten und giengen mit dem Essen um, dass es eine Schande war. Wo aber ein armer Mensch sie um ein Almosen anbettelte, thaten sie grobe Reden und sagten: Scher' dich zum Teufel! Ihr ganzes Gerstl verthaten sie mit Spiel und Schnaps.

Als sie nun gestorben waren, mussten sie als Geister umherspuken, jeder auf der Alm, wo er am längsten in Dienst gestanden und also am meisten Gottesgabe verschändet hatte. Den einen hörte der Senner, wenn er die Milchnäpfe ausspülte, auf der "Schiene" grunzen wie eine Sau. Darüber erzürnt, schüttete er einmal ein "Gazl" voll "Tschotten" [Topfen, Quark] auf die "Schiene" hinauf. Plötzlich hörte er von derselben herab:

"Vergelt's Gott tausendmal, du hast mich erlöst."

Der andere spukte im Schönanger, einer schönen Alm im "langen Grund". Er musste hier zur Nachtszeit die Arbeiten eines Senners verrichten, und weil er keine Ruhe gab, erzürnte das den Senner, einen jungen, starken Knecht, der keinen Spass verstand, dermaßen, dass er einmal aufstand, um den Geist auszutreiben. Er sah ein kleines Männlein in der Milchkammer, dem er rasch ein paar Ohrfeigen versetzte und den thätlichen Laufpass zur Hüttenthür [Hüttentür] hinaus gab. In dem Augenblick verwandelte sich das Männlein in eine weiße Taube und dankte dem Senner mit hundert Vergelt'sgott für die Erlösung. Es sagte ihm auch, dass es als Melker einmal einen bresthaften Menschen, der ihn um etwas gebeten, eine Ohrfeige statt des Almosens gegeben habe, für die er nun auch habe büßen müssen. Darauf flog die Taube gegen Himmel.

Quelle: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf Heyl, Brixen 1897,
Nr. 21, S. 63