Der Renalplar Pöschi
Im Stanzerthal [Stanzertal] gibt es mehrere Plätze, wo feurige Männer ihr Unwesen treiben. Zum Glücke für die Thalbewohner [Talbewohner] hausen diese Unholde zumeist auf den Bergeshöhen, wo sie freilich dann den Almleuten oder Gemsjägern gefährlich weiden können. Namentlich die Gemsjäger sind übel bei ihnen vermerkt. Die gefürchtetsten Plätze, wo solche Feuermänner umgehen, sind im Stanzerthal wohl die Renalm und der Streitgampen. Auf der Renalm haust ein Feuermann von ungeheurer Größe und Stärke, überaus wild und grimmig, aber ganz entsetzlich wüthend [wütend], wenn eines der gehassten Menschenkinder es wagt, seinen Namen auszusprechen oder bei ihm zu fluchen oder gar seiner zu spotten, weil er bloß ein Auge, dafür aber großmächtige Hörner oben heraus hat. Er besitzt nicht menschliche Stimme, sondern brüllt wie ein Stier. Dieser entsetzliche Geist, gemeinhin der Renalplar Pöschi oder Renalmar Putz genannt, soll vor uralten Zeiten gelebt haben und ein wahrer Unmensch gewesen sein. Wo die Stanzerthaler eine Kirche bauen wollten, war er gleich bei der Hand und schleuderte Felsstücke von oben herab, die den Bau in den Boden schlugen. Daher muss er schon in die tausend Jahre und drüber da oben die Feuerpein leiden.
Als noch am ersten Fastensonntag das Scheibenschlagen im Brauch war,
schlug ein übermüthiger [übermütiger] Bursche eine
Scheibe zu Ehren des Renalplar Pöschi. Augenblicklich war der feurige
Mann mitten in der ausgelassenen Gesellschaft, die nun freilich entsetzt
auseinanderstob. Die ganze Nacht bis zum Betläuten in der Früh
verblieb der Pöschi auf der Stelle und schlug unter furchtbarem Gebrüll
Scheiben, dass die Gahnen [Funken?] meilenweit über das Thal [Tal]
stoben bis auf den gegenüberstehenden Berg: dann und wann aber flog
statt der Scheibe gar ein brennendes Fass durch die Luft wie ein Komet
mit riesigem Feuerschweif. (Strengen.)
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 17, S. 19f