Wie der Teufel einen Ritter holt
Das Schloss Mariastein auf hohem Felsen in Unterinnthal [Unterinntal] zeichnet sich durch seine sonderbare Bauart aus und zeigt manche Merkwürdigkeit. An diese Burg knüpft sich folgende Sage:
Ein Ritter von Mariastein war überaus leichtsinnig und gottvergessen.
Es war in der heiligen Christnacht, und die Leute eilten groß und
klein von nah und ferne dem Kirchlein zu, nur der Ritter gieng [sic] nicht.
Er hatte ein paar Kameraden für diese Nacht zu sich auf die Burg
geladen, mit denen er soff und spielte. Schon war es bald zwölf,
als des Ritters fromme Mutter sich zum Kirchgang anschickte und ihren
Sohn ermahnte, mitzugehen. Er erwiderte dem Mütterlein trotzig und
derb und soff und spielte weiter. Voll Verdruss über den Ungehorsam
ihres wüsten Sohnes begab sich die Frau zur Kirche. Die beiden Ritter,
die das Flehen der Mutter mitangehört hatten, empfanden wohl Mitleid
mit der armen Frau und hätten gerne den Ungerathenen [Ungeratenen]
zum Aufhören des Spieles bewogen, allein sie wagten es doch nicht.
Da schlägt es zwölfe, und sie spielen weiter. Und da der Burgherr
gerade verlor, wurde er vom Grimm erfasst und schmähte und fluchte
auf das Christkindlein. Doch horch! Mit einemmale [sic] braust es in den
Eichen vor dem Schlosse, ein schreckbarer [sic] Sturm rüttelte am
alten Gemäuer, ein Fenster fliegt klirrend auf, der leibhaftige Satan
fährt durch die Öffnung, fasst den Frevler beim Schopf, und
fort geht's wieder mit ihm, hinaus durch die finstere Nacht in die Hölle.
Die beiden Gäste wurden dermaßen erschreckt, dass sie in sich
giengen und ein frommes Leben anfiengen.
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 64, S. 101f