Die Wichtelmännchen auf Towin und am "Säumerweg"
Auf der Alm Towin und den Rallsberg herab gegen Grins und Strengen hausten bis vor kurzem noch die Wichtelmännlein und trieben bald da, bald dort ihren neckischen Spuk. Darüber erzählt ein Bauer Folgendes:
Vor etlichen Jahren traf er in seinem Stall auf Towin öfters eine Kuh losgebunden, hie und da war gar ein Stallgeräth [Stallgeräte] "Mängel", und bald darauf, wenn man es just nimmer brauchte, lag es wieder auf dem gleichen Platz, wo es früher gelegen war. Eines Morgens waren zwei feiner Kühe so eng mit einer und derselben Kette zusammengebunden, dass man deutlich sehen konnte, wie sie so bald ersticken müssten. Der Bauer lief wohl hinzu und wollte sie losbinden, allein es war nicht möglich, die Ketten aufzuthun. Da hörte er in einem Winkel des Stalles ein Gekicher, sah aber nichts. Der Bauer ward fuchtig und gieng in die Hütte hinüber, eine Feile zu holen, womit er die Kette durchfeilen wollte. Als er mit der Feile in den Stall zurückkehrte, waren die Kühe auseinander und jede an dem ihr zugehörigen Standplatz vor dem Barren, sonst auch im Stall alles still und in Ordnung.
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Ein anderer hat Folgendes erlebt: Er hatte sein Vieh einige Zeit im Stalle auf einer etwas entlegenen Wiese. Öfter, wenn er des Morgens hinkam, das Vieh zu füttern, machte er die Bemerkung, dass auf dem Streustock jemand übernachtet hatte. Das Liegloch darin konnte aber nur ein ganz "lötzes" [kleines] Mannl ausgelegen haben. Als er eines Tages wieder in der Früh in den Stall kam, sah er zu seinem größten Schrecken, dass eine von seinen Kühen den Kopf durchs Stallfenster herausstreckte. Das Fenster aber war nur ganz klein, und es war nicht erfindlich, wie die Kuh den großen Kopf durchs kleine Fensterloch zu schieben vermocht hatte. Daher konnte auch ihr Kopf trotz aller Mühe und Umsicht nicht mehr zurückgebracht werden. Der Bauer gieng in Dreiteufelsnamen ins Wohnhaus zurück, eine Axt zu holen, mit der er das Fensterloch auszuweiten gedachte. Als er mit der Axt fluchend wieder zum Stalle kam, schaute kein Kuhkopf mehr zum Fenster heraus, sondern die Kuh stand an ihrem Platz, als wäre gar nichts geschehen.
Beide Bauern behaupten, in der Nähe ihrer Ställe nicht selten ein kleines Mannl gesehen zu haben.
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So und anders hat sich's auch bei anderen Bauernhöfen der Gegend am alten "Säumerweg" zugetragen.
Einem Bauern jener Gegend wurde in der Nacht Stall und Vieh fein säuberlich gekehrt und gestriegelt. Wenn jemand im Haus nicht schlief, hörte er genau Besenstrich und Striegelgekratze. Und so gieng's jede Nacht; in der Früh war es eine Freude, in den Stall zu gehen, er war spiegelglatt, und ans den Thieren hätte keine Laus Unterschlupf bekommen. Wer das wohl thut? Die Bäurin wundert's ebenfalls, nicht bloß mich; sie bleibt auf, es ist ja so heller Mondschein, und passt und passt. Auf einmal trägt ein putzigkleines Männlein das "Kehrtatl" [Kehrschaufel] zur Stallthür [Stalltür] heraus, schüttet das Kehricht in die Luft, wo es augenblicklich der Wind davonträgt, und langt den Striegel vom Nagel in der Stallthür herab. Jetzt will's striegeln. Aber, o weh! auf einmal sieht es das Gesicht der Bäurin. die oben durch das Fenster schaut, und wirft den Striegel weg und macht sich eilends davon. Das Mannl ist nie wieder gekommen, und Stall und Thiere blieben ungescheuert und ungestriegelt, so dass das Vieh in nicht langer Zeit vor lauter Unrath zugrunde gehen musste.
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Zu Hof am Rallsberg hütete ein solches Wichtelmannl längere Zeit die Geiße. Ward es aper [frei von Schnee] im Lenz [Frühling], so kam das Mannl plötzlich, niemand wusste, woher, und hütete mit großem Fleiß, bis die Weidezeit um war. Fiel dann der erste Schnee im Herbst, dann kamen wohl das letztemal die Geißlein abends heim, aber der Hirte nimmer. Und so machte es das Mannl jedes Jahr. Auf einmal fiel dem Bauern ein, dem kleinen Hirten einen Lohn zu geben für sein fleißiges Hüten. Er dachte hin und her und ließ ihm zuletzt ein rothes Röcklein machen, da er gesehen hatte, dass das Wämslein des Hirten schon über und über schleißig war. Das Mannl lachte, dass der Mund von einem Ohr zum anderen gieng, zog das Röcklein an, und weil es ihm überaus wohl gefiel, hüpfte es vor Freude herum und rief:
"Weil i a roaths Röckli hon, die Goaße numme hüate konn."
Darauf lief es fort und kam nie wieder. (Strengen.)
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 27, S. 24ff