Der Ritter Trautson
In alter Zeit lebte ein Ritter Trautson, ein auserkorener Degen und berühmt wegen seiner Kühnheit. Er saß auf seiner Feste Matrei und hielt treulich Wache, denn es war der Feind ins Land gebrochen. Dieser zog mit einem übergroßen Kriegshaufen auch vor die Feste des Ritters Trautson und umschloss sie von allen Seiten hart. Lange wehrte sich der Ritter mit seinem Häuflein aufs tapferste, aber endlich kroch der Hunger über die Mauern und schoss größere Breschen in die Reihen des Burgvolkes, als der Feind draußen in das Gemäuer.
Der Schlossherr konnte das Elend seiner Reisigen nicht länger sehen und entschloss sich zu einer verzweifelten That [Tat]. Er bestieg sein schnellstes Ross, flog wie der Wind hinaus und durch das feindliche Lager, überall mit seinem guten Schwerte sich Bahn hauend, und gelangte glücklich ins Weite, ohne von den Verfolgern erreicht zu werden. Als er in Sicherheit war, stieg er ab und küsste die Hufe seines treuen Thieres [Tieres].
Es gelang ihm, seine Freunde zur Waffenhilfe zu bewegen, und alsbald kehrte er an der Spitze eines reisigen Haufens [sic] nach Matrei zurück, schlug die Feinde und befreite seine Burg. Aus Dankbarkeit ließ er sein Rösslein, das ihn so glücklich davongetragen hatte, mit silbernen Hufeisen beschlagen, die wirklichen Eisen aber, die das schnelle Thier auf dem wilden Ritte angehabt, sollen noch lange im Matreier Schloss auf einem Sammtkissen [Samtkissen] aufbewahrt worden sein.
Zum Andenken an dieses Reiterstücklein nahmen die Herren von Trautsun
ein silbernes Hufeisen in ihr Wappen auf und trugen es auf Helm und Schild.
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 8, S. 53f