Der unterirdische Ritter mit dem Schwerte
Von Schwaz etwas weiter aufwärts gegen Hall zu liegt ein merkwürdig
geformter Stein, der Moser Stein genannt, bei dem sich viele Leute fürchten.
Der Stein hat ein tiefes, finsteres Loch, das unter die Erde hinabführt.
Durch dieses Loch soll man in jenen unterirdischen Gang gelangen, der
vom Moser Stein fort unter dem Innfluss hinüber bis zum Schloss
Tratzberg reicht und in alter Zeit den Rittern dieses Schlosses die
heimliche Flucht ermöglichte, wenn etwa einmal der Feind in die Burg
eindrang. Jetzt darf es aber niemandem mehr beifallen, sich in diesen
unterirdischen Gang hinabzuwagen, denn gerade unter dem Inn hält
ein baumstarker Rittersmann mit entblößtem Ritterschwert beständig
Wache und tödtet [tötet] jeden, der durch den Gang kommt. In
früheren Zeiten ersparten sich damit die Schwazer den Scharfrichter,
der ein gutes Stück Geld kostet. Der Ritter da unten that aber sein
Handwerk umsonst. So führten sie denn ihre Galgenvögel ohne
viel Federlesens in den Moser Stein und durch den unterirdischen Gang,
bis sie zum Ritter kamen, der ihnen ohne viel Rechtens mit seinem breiten
Schwerte den Kopf abschlug.
Quelle: Volkssagen, Bräuche
und Meinungen aus Tirol, gesammelt und herausgegeben von Johann Adolf
Heyl, Brixen 1897,
Nr. 9, S. 54f