Der Schlüsseldreher und das Kasermanndl
Unter der Fiegeralm, die jetzt dem Baron Sternbach in Mühlau gehört, stand die Hütte eines Schlüsseldrehers, Namens Huis, auf einem hübschen Plätzchen am Bache und wegen nahestehender kräftiger Zirmbäume (Pinus Cembra, Zirbelkiefer) ganz besonders günstig gelegen. Der Schlüsseldreher war ein ebenso fleißiger als unerschrockener Mann, und das Gerücht, daß auf der Fiegeralm in jedem Winter ein nicht gutartiges Kasermanndl spuke, schreckte Huis nicht ab, sein Haus dicht unter diese Alm zu bauen. Auch ging er im ersten Herbst hinauf, um ein Paar ihm besonders für seine Zwecke tauglich erscheinende Zirben zu fällen. Die Kaser stand leer, und Huis richtete sich in derselben ein, um an Ort und Stelle die Klötze bequemer vorzubereiten. Er schürte ein tüchtiges Feuer an, schloß die Thüre und machte sich alsbald an die Arbeit. Mit einemmale hörte er jemand um die Hütte herumgehen, und dann an der Thüre rütteln und stoßen, als ob sie entzwei gesprengt werden solle.
Der Huis steht auf, ruft:
Wer da? öffnet und ruft hinaus: Nur hinein!
Aber es kommt niemand. Da setzt jener sich wieder an seine Arbeit, hört aber immer etwas während derselben herumtappen, so daß er endlich anfing, ihm unheimlich zu werden. Er arbeitete noch eine Zeitlang fort, legte sich aber doch zeitig schlafen, um desto früher wieder bei seinem Geschäft zu sein. Er kroch im Tennen aufs heu und entschlief bald, aber da weckte ihm ein rascheln im heu, und mit einemmale war der Almgeist bei hm, und legte sich auf ihn in einer drohenden schrecklichen Weise, wie ein großer Fleischhackerhund, der jeden Augenblick zu beißen droht, mit fürchterlich rollender Feueraugen. Der Huis aber nahm seine Kraft zusammen, gab dem Geist einen Schneller, daß er bis ans Dach fuhr, und rutschte über das Heu in den Stall hinunter, worauf er in die Stube schlüpfte und dort Ruhe fand.
Am Morgen aber traf er Anstalt, sein Holz hinunter in sein Haus zu schaffen,
und schlief nie wieder droben in der Kaser. Er erzählte auch keiner
Seele sein Abenteuer, nur einzig und allein seinem Weibe, und band ihr
auf die Seele, es nicht weiter zu sagen- aber - Weibergeheimnis - Platzgeheimnis.-
Quelle: Mythen und Sagen Tirols, gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Zürich 1857, S. 170f, Nr. 33