Thomas von Bergamo
Fra Tomaso, wie ihn seine italienischen Landsleute nannten, war der Sohn
armer Bauerleute und wuchs ganz ohne Schulunterricht heran, als Schafhirte
sich selbst überlassen. Im Alter von siebzehn Jahren trat er zu Verona
in den Kapuzinerorden und verblieb darin durch mehr als vierzig Jahre
bis zu seinem Tode in der demütigen Stellung eines Laienbruders.
Aber der einfache Laienbruder gewann im Laufe der Zeit durch die bewunderungswürdigen
Gaben seines Herzens und Verstandes ein solches Ansehen, daß ihn
die mächtigsten Monarchen zu ihrem Ratgeber wählten. Leopold
V., Landesfürst von Tirol, berief ihn an den Hof zu Innsbruck, damit
er von hier aus in allen Gegenden des Landes die Gemüter des Volkes
durch die Kraft seiner Rede und durch sein glänzendes Tugendbeispiel
zum Bessern lenkte...
Von der Prophezeiungsgabe des Bruders Thomas werden mehrere Beispiele
berichtet, von denen ich einige anführe. Er hat dem Kaiser Ferdinand
II. ein halbes Jahr vorher den großen Sieg über die protestantische
Liga vorausgesagt, welchen die kaiserlichen Truppen auf dem weißen
Berge bei Prag den 8. November 1620 erfochten. Ebenso prophezeite er dem
Erzherzog Leopold einen erfolgreichen Sieg über die Dänen. Einem
venetianischen Edelmanne sagte er voraus, daß er binnen einem Monate
samt der ganzen Verwandtschaft elend zugrunde gehen werde. Was auch wirklich
geaschah: der Edelmann ertrank, sein Bruder wurde erschossen, und alle
Andern seines Stammes fanden den Untergang. Einem unschuldig zum Tode
veruteilten vornehmen Beamten zu Trient weissagte er die baldige Widerrufung
des ungerechten Urteils, obwohl dies allen zur Zeit, da die Prophezeiung
gaschah, unmöglich schien. In derselben Stadt offenbarte er fünf
adelige Schwestern ihre Gedanken - zum größten Erstaunen der
Anwesenden. -
Solche und andere wunderbare Vorgänge verschafften dem italienischen
Kapuziner Laienbruder beim ganzen Volke den Ruf der Heiligkeit, so daß
nach seinem Tode, welcher am 3. Mai 1631 zu Innsbruck erfolgte, ein unermeßlicher
Zulauf von vielen Tausend Menschen entstand....
Italienisches Fürbittbuch in der Kapuzinerkirche,
Innsbruck
I DEVOTI VISITATORI
DI
FRA TOMASO ACERBIS
DA OLERA (BG) ITALIA
IN INNSBRUCK (AUSTRIA)
1989
Auch heute noch erfährt der Kapuzinermönch eine rege Verehrung
© Berit
Mrugalska, 4. Oktober 2004
Im Anfang des verflossenen Jahrhunderts wurde die Gruft, in welcher sich nebst andern Verstorbenen aus dem Kapuzinerorden die Überreste des Bruders Thomas von Bergamo befinden, zugemauert und dadurch unzugänglich gemacht.
Thomasgrab in der Kapuzinerkirche, Innsbruck
Gestaltet von Maurizio Bonato (1994)
© Berit
Mrugalska, 4. Oktober 2004
Sein Freund Hippolytus Guarinoni verfaßte "Das Leben des ehrw. Dieners Gottes Thomas von Bergamo".
Quelle: Ludwig Rapp, Hippolytus Guarinoni, Stiftsarzt in Hall, 1903,32ff.