Geister im Magdalenensaal
Das sogenannte Sommerhaus des ehemaligen Königlichen Stiftes in Hall steht an der Südseite des "oberen Stiftsgartens" und wurde über Weisung der kunstsinnigen Obristin Eleonore Gräfin zu Herberstein vom Haller Stadtbaumeister Gremblich in den Jahren 1714 bis 1716 erbaut. Abgesehen vom berühmten Magdalenensaal enthält es ach ein paar zu wärmeren Jahreszeiten bewohnbare Nebenräume, herzige Zimmerchen mit Deckenmalereien und Butzenscheiben. In den Achtziger- und Neunzigerjahren des vorgigen Jahrhunderts pflegte die Generalmajorswitwe Johanna von Trentignalia-Telvenberg geborene Baronin Wodniansky, darin die Sommermonate zu verbringen. Zwischen meinem vierzehnten und achtzehnten Lebensjahre lud mich die alte Dame wiederholt zu sich ein. Es erfüllte mich jedesmal mit großer Freude, alles Sehenswerte besichtigen zu dürfen. Zufällig ließ ich einmal die harmlose Frage fallen, ob sich nie die verstorbenen Stiftsdamen oder Jesuiten in den mondhellen Sommernächten blicken ließen. Damit hatte ich eine klingende Saite im Herzen der Frau von Trentinaglia berührt. Sie erzählte ungefähr folgendes: Die ersten Jahre, als sie im Stiftsgarten eingezogen waren, erschrak sie jedesmal, wenn eine gespenstische Stiftsdame in de historischen Stiftskleidung mit Häubchen und dem kleinen Birett auf dem Kopfe zu einer Tür des einen oder anderen kleinen Zimmers hereinschaute. Frau von Trentinaglia schlief im ersten Stocke der Ostseite und versicherte, daß sie zu gewissen Zeiten (Quatember, Ignatiustag und Petri Kettenfeier, Mariä Geburt), es nicht gewagt hätte, um Mitternacht den großen Saal zu betreten, da es dort von schwarzgekleideten Gestalten geradezu wimmelte. Frau von Trentinalia nahm an, daß e Stiftsdamen waren. Da genannte Dame bis in ihr hohes Alter stets eine sehr rüstige und furchtlose Persönlichkeit war, brachte sie oft halbe Nächte im verträumten Stiftsgarten zu, in dem dann nur das stärkere Rauschen des Inn, das leise Plätschern der kleinen Fontäne oder der Ruf eines verschlafenen Käuzchens zu vernehmen war. Wenn es dann vom Turm der Jesuitenkirche dumpf die zwölfte Stunde verkündete, erschienen nacheinander am geraden Wege, de vom Eingang des Gartens im Norden zum Sommerhause und zur Josefs-Kapelle führt, drei ehrwürdige Jesuiten. Frau von Trentignaglia versicherte immer wieder, daß es ein junger Pater mit hellem Haupthaar und zwei ältere Herren mit teilweise meliertem Haar gewesen seien. Stets waren es dieselben, immer in schwarzem Habit und Cingulum, aber nie mit Kopfbedeckung. Still gingen sie im Garten herum mit unsäglich trauriger Miene. Frau von Trentinaglia empfand gar keine Furcht mehr. Sie beobachtete, wie der junge Pater bis zur Brücke ging, die in alten Zeiten als Zugbrücke in das Königliche Stift führte. Er musterte dort den Platz beim späteren sogenannten Hennenstübchen, und der Stelle, wo man durch einen Schacht in die Gruft der Jesuitenkirche kommt und wo anno 1901 und 1903 ein paar Schatzsucher eingestiegen sind. Dann wieder sah der junge Pater leidvoll zum nächtlichen Sternenhimmel empor, gleichsam als wollte er den Vater im Himmel um Linderung seines Leidens anflehen.
Frau von Trentinaglia bezeichnete mir wiederholt die Stellen, wo die Patres gingen oder standen. Das Gartenhaus betrachteten sie niemals. Sie wandten sich fast nur nach der Südseite des Gartens und hielten sich meist beim St.-Josefs-Kirchleins auf. Der Weg dort bis zur Maria-Schnee-Kapelle war ihr gewöhnlicher Gang.
Romatischer Gartenpavillon auf dem Areal des Stiftsgartens
© Berit Mrugalska, 28. April 2004
Quelle: Geistererscheinungen im Haller Damenstift, nach anvertrauten Aufzeichnungen des Frl. Ida Feuerstein, Oberstaatsbibliothekar Dr. Hans Hochenegg, Tiroler Heimatblätter, Heft 7/9 1955, S. 86 f.