Geister in der Speisekammer
Neben der Tafelstube im Parterre des Damenstiftes ist ein Gewölbe,
ein düsterer Raum mit Steinboden. Zur Stiftszeit diente er als Speisekammer.
Von dort führt eine breite Treppe in den ehemaligen Weinkeller des
Stiftes. Meine Freundin, Schwester Hubertina Dissertori, sie wurde um
1930 Oberin der Barmherzigen Schwestern in Kurtatsch bei Tramin, und ich
waren oft in diesem Raum, obwohl er als Totenkammer für die armen
Spitalleute benützt wurde. Furchtlos sahen wir zu, wie Schatten an
den Wänden vorüberwankten, obwohl die zwei kleinen Fenster nur
in den Stadtgraben gingen, wo es kein Gegenüber gab. In den Keller
aber getraute man sich niemals allein. Ich erinnere mich noch gut daran,
daß Schwester Hubertina stets eine Begleiterin mitnahm. Dasselbe
gilt vom Keller, der unter der Haupttreppe des Hauses ist. Da ich vom
Jahre 1892 bis zum Jahre 1907 nicht gerade täglich, jedoch mindestens
wöchentlich dreimal das ehemalige Damenstift kam, darf ich wohl behaupten,
mit der Örtlichkeit ziemlich vertraut zu sein. Persönlich sah
ich folgende Wahrnehmung nie, wurde aber von älteren Leuten immer
wieder gewarnt, des nachts mich nicht mehr im Innenhofe des Stiftes aufzuhalten.
Die greise Oberin, Schwester Fidelia Eberle, ging schon um 8 Uhr zur Ruhe
und kümmerte sich nicht um das tun der jungen Schwestern und hatte
viel Freundlichkeit mit mir. So kam ich in alle Räume. Es wiederholte
sich zu gewissen Zeiten das laute Umherschreiten und schnelle Laufen mit
ziemlichen Lärm im ersten Stocke des Südtraktes (lt. Plan Zimmer
der Stiftsdamen) und im ersten Stocke der Straßenfront, die damals
die Wohnung des Spitalsarztes Dr. Würzer war, und ebenfalls in alten
Zeiten zu den Wohnräumen der Stiftsdamen gehörte. Frau Dr. Würzer
wiederholte mit, daß sie sich fest in ihr Zimmer verschlossen habe
und es zu gewissen Zeiten um kein Vermögen gewagt hätte, die
großen Gänge zu betreten. Neben dem Lärm der Schritte
war auch das Rauschen von Damenkleidern stark vernehmbar. Die Küche
des jetzigen Josefshauses - ein prachtvoller, gewölbter Raum, das
Stiftsarchiv in alten Zeiten - war zu meiner Jungmädchenzeit fast
gefürchtet. Der darin wohnende Drechsler namens Pockstaller ist dann
zuletzt als Geitesgestörter gestorben. Die Räume sind vom Stadtmagistrat
noch in den Neunzigerjahren um ganz weniges vermietet worden. Pockstaller
blieb dort, weil er um so billiges Geld nie eine andrer Unterkunft bekommen
hätte. Ich erinnere mich sehr wohl, wie der ältliche und sehr
fromme Mann erzählte, daß es oft vor Lärm gar nicht auszuhalten
wäre. Man meinte, daß Möbel umgeworfen würden, wie
das auch in unserer benachbarten Wohnung de Fall war. Das gleiche gilt
von der ehemaligen Waschküche des Königlichen Stiftes, welche
viele Jahrzehnte leer stand, weil sich niemand mehr getraute, dort zu
arbeiten. Der Raum hat etwas Düsteres, ist aber für große
Wäsche bequem eingerichtet. Um zwölf Uhr fielen die teils leeren,
teils gefüllten Holzgefäße manches Mal plötzlich
um und kollerten umher mit großem Lärm. Man hörte Gelächter,
daß die Leute von kaltem Schauder ergriffen davonrannten.
Quelle: Geistererscheinungen im Haller Damenstift, nach anvertrauten Aufzeichnungen des Frl. Ida Feuerstein, Oberstaatsbibliothekar Dr. Hans Hochenegg, Tiroler Heimatblätter, Heft 7/9 1955, S. 88.