DER GEISTERJUCHZER

In früheren Jahren herrschten auf der Alm noch Bräuche, die heute schon im Aussterben sind. So trat z.Bsp. am Abend nach getaner Arbeit der Hirte vor die Hüttentüre und sprach den Abendsegen bevor er sich schlafen legte. Manchmal kamen auch die Almleute der Nachbarschaft abends zu einem Hoangert zusammen, bei dem es oft sehr lustig zuging und der mitunter bis zum grauen Morgen währte.

Während nun einmal der Tauscher (Galtviehhirte) am Abend im Freien stand und segnete, hörte er am Filz bei der Roten Mur einen Juchzer. Da man auf der Inzinger Alm an dem gleichen Abend die Krimpenbacher Almleute erwartete, rief er dem Unbekannten zu: "Geah nit schlafen, heit kemmen no die Krimpenbacher!" Als Antwort hörte er gleich darauf am sogenannten Salzstein, der doch ziemlich weit von der Roten Mur entfernt ist, den gleichen Juchzer. Als sich der Senner noch über die Schnelligkeit des Wanderers wunderte, erklang auch schon in seiner nächsten Nähe bei der Almkapelle, zum drittenmal der Juchzer. Das alles geschah in einem Zeitraum von kaum zwei Minuten, während man sonst von der Almkapelle bis zur Roten Mur fast eine Stunde zu gehen hat.

Dem Hirten wurde unheimlich und sich segnend und bekreuzigend ging er rasch in die Hütte. Was aber das geisterhafte Juchzen zu bedeuten hatte, konnte man nie erfahren.

Mitgeteilt von Josef Lederle

Quelle: Dorfbuch Inzing, Franz Pisch.

© Ernst Pisch.
Dieser urheberrechtsgeschützte Text wurde freundlicherweise von Ernst Pisch für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.