AUS EINEM TOTENKOPF TRINKEN

Als es Auto, Flugzeug und Radio noch nicht gab, konnte man sich auf einfache Art seine Wünsche erfüllen. Freilich furchtsam durfte der Mann nicht sein!

Er mußte sich vor der Mitternachtsstunde mit bereitgestelltem Wasser in die Nähe des Friedhofes stellen. Wenn dann vom Kirchturm die ersten Glockenschläge der Mitternachtsstunde ertönten, mußte er schnell in die Totenkapelle eilen, dort einen Totenkopf dreimal mit Wasser füllen und dreimal austrinken. Bevor der letzte Glockenton verhallt war, mußte er wieder außerhalb des Friedhofes sein, sonst geschah ihm etwas Übles.

Dies wollte der Markt Hanns vom Umesberg einmal ausprobieren. Um ½12 Uhr nachts verließ er das Gasthaus Markt und stellte sich mit einer Flasche Wasser in die Krippengasse zum Friedhofeingang. Vom Turm schlug es ¾ 12! Nun wartete er voll Spannung auf die Mitternachtsstunde. Unendlich lang kam ihm die Zeit vor. Endlich tönte wieder die Glocke, aber nur ein einziger Schlag. Die erste Viertelstunde nach Mitternacht zeigte sie an.

Als er sein Erlebnis erzählte, lachte man ihn aus und meinte, er hätte wohl die mitternächtlichen Glockenschläge verschlafen. Er verteidigte sich und meinte: "Na, Buabn, wenn ma so eppas vorhat, nacha is dir nit ums Schlafen. Aber es hat nit sein wölln!"

Mitgeteilt von Josef Lederle

Quelle: Dorfbuch Inzing, Franz Pisch.

© Ernst Pisch.
Dieser urheberrechtsgeschützte Text wurde freundlicherweise von Ernst Pisch für SAGEN.at zur Verfügung gestellt.