VON DEN INZINGER WICHTLEIN
In Inzing hielten sich vor alter Zeit in den Ställen kleine Männlein, die Wichtlein, auf. Wo sie weilten, blieb das Vieh gesund, gab viel Milch und keine Hexe konnte Macht darüber bekommen. Sie waren aber nur wenigen Leuten sichtbar, die meisten hörten nur mitunter ihren lieblichen Gesang im Stalle ertönen, bald über dieser und im nächsten Augenblick wieder über einer andern Kuh. Die Neckereien konnten sie aber trotz ihrer gutmütigen Gesinnung nicht lassen.
So gewahrte einmal ein Knecht, als er in der Früh melken ging, daß die schönste Kuh ihren Kopf duch eine ganz enge "Kluss'n "in der Stalltüre heraussteckte. Eilig lief er ins Haus zurück und benachrichtigte davon den Bauern. Dieser rannte mit dem Knecht zum Stall, konnte aber nichts Ungewöhnliches wahrnehmen, denn die Kuh stand jetzt ruhig an ihrem Platze. Die beiden hörten aber die Wichtlein aus den Winkeln kichern und lachen, da ihr gelungenes Stücklein dem Bauern und Knecht einen solchen Schrecken eingejagt hatte.
Ein anderer Knecht in Inzing, der dem Gesang eines solchen Wichtels fast täglich lauschte, wollte sich ihnen dankbar erweisen, kaufte ein Stück rotes Tuch und ließ daraus für das Wichtel ein Röcklein anfertigen. Als er es aber im Stall aufgehängt hatte, verließ diesen das Wichtl laut weinend und der Knecht hat es seitdem nie wieder gesehen oder singen gehört.
Nach Adolf Ferd. Doerler - Sagen aus Innsbrucks Umgebung[47]
Sagen von Wichteln, auch Norggen, Kasermannlen, Nörggelen, Pechmannlen, Erdmannlen, Schräteln, Heinzelen, Ung'schichtl, und wie sie sonst noch heißen mögen, sind in ganz Tirol häufig verbreitet. Allen diesen Gestalten ist etwas Dunkles, Dämonisches, ein unheimliches Unbefriedigtsein eigen.
Zwerge spielten im Glauben userer germanischen Vorfahren eine bedeutende Rolle. Sie wohnen unter der Erde, manchmal auch unter Bäumen und müssen oft Schätze hüten. Nach der Meinung des Volkes werden sie Jahrhunderte alt und verfügen trotz ihres kleinen Wuchses über große Leibeskraft und weitreichende Zaubergewalt. Sie sind Heiden und wollen vom Christentum nichts wissen. Sie sind leicht zu erzürnen und ausgelassene Freude erfüllt sie, wenn sie jemandem eine Bosheit antun können.
In Eben hatten sich die Wieserleute ihren festen Glauben an die Geister und Hexen noch erhalten. Josef Lederle, vlg. Schweizer Seppl, erzählte mir viel von den Bewohnern des Wieserhauses, das vor dem Hause Zangerle (Eben Nr. 8) und Elzinger (Eben 9) stand und angeblich 1888 abgerissen wurde. Das Wohnhaus ward auf der Bp. 196 und das Wirtschaftsgebäude auf der anderen Seite des Weges auf Bp. 197 erbaut. Laut Bauparzellenprotokoll der Gemeinde vom Jahre 1873 war Genofeva Adler Eigentümerin des Anwesens. Lederle gibt an, daß die Adler ein Adelsgeschlecht (von Adler) gewesen seien und mit der Tochter, einer verehelichten Schöpf, ausgestorben seien. Die Bewohner des Hauses führten aber nicht das Leben einer reichen Adelsfamilie, sondern lebten wie einfache Bauersleute, denen man dazu noch eine allzugroße Reinlichkeit nicht nachsagen konnte.
Bevor die Wieserleute mit dem Vieh aus dem Stall oder Hof fuhren, schlugen sie mit einer Rute oder Peitsche ein Kreuzzeichen in die Luft, um vor den Boshaftigkeiten der Hexen geschützt zu sein. Es wurde nie gemolken, bevor man nicht mit Messern in die Holzsäulen des Stalles hineingestochen hätte. Nach ihrer Meinung vertrieb man dadurch die Hexen.
Lederle kam als zehnjähriger Bub öfters ins Wieserhaus. Die Alte erzählte ihm dann oft Geistergeschichten, die sie mit den Worten einleitete: "Seppela, heit is zuagangn!". So sah sie einmal, als sie morgens den Stall betrat, kleine Wichteln durch die Stalltüre davon huschen. Sie hatten, um die Wieserleute zu necken, zwei Kühe an eine Kette gebunden. Ein andermal beobachtete sie den Franzn Peata und den Tschepperer, zwei Inzinger Bauern, die sich bei Lebzeiten mit Prozessen ihr Dasein erschwert hatten, wie sie mit zwei feurigen Markstecken aufeinander losschlugen.
Um Hexen und Geister zu vertreiben, wurden Stall und Haus oft mit Osank
(?), das einen unangenehmen Geruch verbreitete, ausgeräuchert.
Quelle: Dorfbuch Inzing, Franz Pisch.
© Ernst Pisch.
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