Die Sage von Schloß "Bäreneck"

Ungefähr drei Viertelstunden taleinwärts in das Kaunertal ragen auf einer schauerlichen, fast senkrecht zum wildtosenden Faggenbach abstürzenden Felswand die Trümmer der stolzen Burg Bärneck, auch Pernegg und Berneck genannt, empor und verkünden in stummer und dennoch gewaltig redender Sprache die Vergänglichkeit alles Irdischen. Daß hier einmal finsterer Wald gewesen ist, in dem Bären und Wölfe gehaust haben, ist ohne Zweifel.

Eine alte, noch heute im Volksmund verbreitete Sage erzählt, daß einst in der Nähe dieses Schlosses zwei Jäger, Brüder, auf die Jagd gingen. Bald wurde ein gewaltiger Bär aufgetrieben, der wütend auf die beiden Jäger losging. Da die auf ihn abgeschossenen Pfeile fehlgingen, mußten die beiden flüchten, immer vom Bären verfolgt. Als ein Entkommen nicht mehr möglich war, stellte sich ein Jäger tot, worauf der Bär innehielt, den am Boden Liegenden beroch und ihn mit der Tatze sogar noch umwandte, um sich neben ihm niederzulassen, als wollte er ihn bewachen. Auf einmal sprang das Tier mit einem fürchterlichen Aufschrei in die Höhe, stürzte zusammen und verendete alsbald darauf. Ein eiserner Pfeil, abgeschossen vom anderen, im Gebüsch versteckten Jäger, war ihm in den Kopf gefahren. Die beiden Brüder umarmten sich vor Freude, und mehrere Jahrhunderte lang soll an diese Begebenheit eine Tafel erinnert haben, die an einem mächtigen Baum an dieser Stelle befestigt war. Die beiden Jäger sollen die Erbauer des Schlosses gewesen sein. Daher stamme der Name Bäreneck, wie denn auch die Edlen v. Bäreneck einen Bären in ihrem Wappen führen.

Quelle: Burgen, Schlösser, Ruinen in Nord- und Osttirol, Beatrix u. Egon Pinzer, Innsbruck 1996, S. 36.